Fahrtkosten, Ferienwohnung und Abschlag bezahlt

Inhaberin betrogen: „Apotheker legte mich rein“

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Berlin -

Eine Inhaberin aus Bayern suchte einen neuen Mitarbeiter. Es meldete sich ein Vetretungsapotheker bei ihr, der angeblich eine feste Stelle suchte. „Zunächst haben wir uns über Whatsapp kennengelernt und er schickte mir alle nötigen Bewerbungsunterlagen“, schildert sie die Kontaktaufnahme. Um ihm zu helfen, mietete sie auf ihre Kosten eine Ferienwohnung. Am ersten offiziellen Arbeitstag sei er aber einfach nicht erschienen. „Auf Anrufe und Nachrichten hat er bisher nicht reagiert“, ärgert sie sich und fühlt sich von ihm betrogen.

Am vergangenen Dienstagnachmittag hätte der neue Mitarbeiter eigentlich anfangen sollen. „Er ist jedoch einfach nicht in der Apotheke erschienen“, berichtet die Inhaberin. Zuvor habe sie per Whatsapp alle nötigen Daten von dem Approbierten erhalten. „Er teilte mir mit, dass er einst selbstständig gewesen, dann aber in die Insolvenz abgerutscht sei“, sagt sie. „Er habe schon mehrfach in Apotheken vertreten, suche nun aber wieder etwas Festes, erzählte er mir.“

Auch dass sein derzeitiger Wohnort etwa 500 Kilometer entfernt von ihrer Apotheke liegt, konnte er plausibel darlegen. „Er wolle nach Bayern, weil sein Sohn auch hier wohne. Das habe ich ihm geglaubt“, erklärt die Apothekerin. „Ich wollte ihm helfen, wieder auf die Bahn zu kommen, da eine Insolvenz heutzutage nicht abwegig ist. Ich konnte das alles auch googeln, welche Apotheke er mal hatte und so weiter“, schildert sie. „Außerdem konnte er mir gut darlegen, wie es dazu kam. Er tat mir leid.“ Der Lebenslauf sei zwar ein wenig lückenhaft gewesen, aber: „Bei vielen Vertretungen konnte ich auch verstehen, dass man nicht jede Apotheke auflistet.“

„Sollte Zwischenmieterin sein“

Der Mann habe sie zudem gebeten, ihm bei der Wohnungssuche behilflich zu sein – auch das erschien ihr schlüssig: „Er trägt einen ägyptischen Nachnamen, es sei für ihn deswegen schwerer, hier in der Gegend schnell eine Wohnung zu finden. Ich wollte ihm gerne behilflich sein“, erklärt sie. „Es herrscht ohnehin Wohnungsnot, deswegen habe ich mich für ihn gekümmert und auch etwas gefunden.“ Die Suche fand Anfang August statt, die Übergabe der Wohnung hätte am 31. August erfolgen sollen. „Gott sei Dank habe ich in dem Zuge aber abgelehnt, mich als Zwischenmieterin einzutragen, denn auch darum hatte er mich in einem Gespräch gebeten.“

Mitte August war der Mann sogar für drei Tage zur Probearbeit und zum Kennenlernen in ihrer Apotheke. „Dafür habe ich das Kilometergeld und die Übernachtungskosten übernommen. Zum 1. September sollte dann der Arbeitsvertrag gültig sein. Weil er aber einen finanziellen Engpass habe, bat er mich, doch schon am 25. August bei mir anfangen zu können.“

Die Inhaberin sollte eine Ferienwohnung für die Zeit bis zur Wohnungsübergabe für ihn mieten. „Das habe ich gemacht, ich wollte nicht engstirnig sein.“ Zudem wirkte er in den drei Tagen zunächst sehr engagiert, lernte das Team und die Apotheke kennen. „Es gab allerdings ganz wenige, aber kuriose Dinge, die mich irritierten. Er wollte zum Beispiel unbedingt mit mir allein sprechen, wenn es um Dinge wie den Dienstplan und die Einteilung des Personals ging.“ Er habe ihr dann auch viel aus seinem Leben erzählt, erinnert sich die Apothekerin.

Auslagen in bar verlangt

Aufgrund des finanziellen Engpasses drängte er die Apothekerin zunächst zur Auslagenerstattung seiner Fahrtkosten in bar, wie schon beim Bewerbungsgespräch. „Er machte mir glaubhaft, dass er durch die Insolvenz jeden Cent benötige. Ich sollte ihm etwa 400 Euro zahlen.“ Sie lehnte jedoch ab: „Ich habe gesagt, dass er das Geld bekommt, wenn er länger bei mir arbeitet.“ Stattdessen habe sie ihm eine Abschlagszahlung für die bisher geleisteten Arbeitsstunden überwiesen.

Da der Apotheker nur eine Teilzeitstelle besetzen wollte, hatte er am 1. September noch frei. „Das war so abgemacht. Das heißt, er sollte dann eigentlich am 2. September in der Apotheke erscheinen“, erklärt sie. „Ich habe ihn am Samstag noch gefragt, wie die Wohnungsübergabe lief. Er sagte nur, dass er nochmal zu seiner alten Adresse gefahren sei, um etwas zu holen.“ Das habe die Apothekerin gewundert, da ihm die Fahrkostenerstattung so wichtig gewesen war. „Und damit er nicht nochmal die weite Strecke fahren muss, war ja auch die Ferienwohnung lückenlos bis zur Wohnungsübergabe bezahlt.“ Etwas Böses habe sie sich dabei aber nicht gedacht.

Nicht zur Arbeit erschienen

Am ersten Arbeitstag sei der Mann dann einfach nicht erschienen. „Ich habe vergeblich gewartet. Auf Nachrichten und Anrufe reagiert er seitdem nicht.“ Mehr noch: „Auch der Vermieter rief mich erbost an, wann denn der Herr erscheine. Ich müsste es doch wissen, ich habe ihn doch vermittelt“, beklagt sich die Inhaberin. „Es ist mir in jeglicher Hinsicht so unangenehm. Dem Vermieter fällt jetzt die Monatsmiete aus, mir fehlt ein Mitarbeiter, ich bleibe auf den Kosten sitzen und vom Image, das da entsteht, ganz zu schweigen.“

Am meisten ärgere sie aber ihre eigene Gutgläubigkeit und „dass ich darauf hereingefallen bin“. Sie betont: „Ich möchte alle Kollegen warnen, und dazu aufrufen sich diesbezüglich untereinander zu vernetzen, um sich nicht auf solche Dinge einzulassen.“ Für sie gelte zwar die Unschuldsvermutung, „aber möglicherweise ist die angegebene Anschrift eine Briefkastenadresse und er fährt nie die 500 Kilometer, sondern kassiert nur mehrfach die Auslagenerstattung“, schätzt die Inhaberin. Diese könne er selbst bei Gehaltspfändung behalten, erklärt sie.

Mittlerweile habe sich eine Kollegin bei ihr gemeldet. „Sie ist etwa 50 Kilometer von hier entfernt. Sie schilderte mir einen ähnlichen Fall.“

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