„Zukunftspakt Pflege“

Pflegegrade bleiben, aber Leistungen werden geprüft

, Uhr aktualisiert am 14.10.2025 16:55 Uhr
Berlin -

In der Pflegeversicherung wollen Bund und Länder grundsätzlich an Pflegegraden festhalten, doch die konkreten Leistungen überprüfen und vereinfachen. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit. Zuvor hatte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ in einer digitalen Sitzung Zwischenergebnisse der Fachebene erörtert, wie es hieß.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagte: „Eine umfassende Reform ist überfällig.“ Bund und Ländern müsse eine Kraftanstrengung gelingen. Die Wirkung bisheriger Leistungen müsse aus Effizienzgründen auf den Prüfstand.

Aufregung über Pflegegrad 1

Die Unterscheidung nach Pflegegraden solle grundsätzlich beibehalten werden, hieß es in der Mitteilung weiter. Strukturen des Leistungsrechts wollen Bund und Länder jedoch möglichst vereinfachen und fokussieren. Ende September hatte ein „Bild“-Bericht für Aufregung gesorgt, demzufolge in der Koalition über eine mögliche Abschaffung des Pflegegrads 1 diskutiert werde.

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) reagierte wenige Tage später ausweichend auf eine entsprechende Nachfrage. Auf die Frage, ob eine Abschaffung des Pflegegrads 1 die Lösung sei, antworte Frei in der ARD-Sendung „Maischberger“: „Das kann man so pauschal nicht sagen.“ Er „kenne niemand aus der Koalition, der den Vorschlag gemacht hat“.

Laumann: Pflegegrade damals richtig

Nun sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU): „2017 hatten wir bei der letzten großen Pflegereform die Pflegegrade eingeführt. Das war zu der Zeit auch richtig.“ Doch inzwischen habe man ein hochkomplexes Leistungsrecht, in dem die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sich oftmals nicht mehr zurechtfänden.

„Zudem haben wir in der Pflegeversicherung noch keine guten Lösungen für pflegerische Akutfälle – wenn zum Beispiel kurzfristig die Pflegeperson ausfällt und ganz schnell eine Versorgung gefunden werden muss“, so Laumann weiter. Dies sei Teil der Reformüberlegungen.

Warken meinte: „Wir müssen das System der sozialen Pflegeversicherung nachhaltig aufstellen.“ Stetige Beitragssteigerungen und Mehrbelastungen könnten nicht die Lösung sein. „Die Einnahmen im System müssen ausreichen, um das Leistungsversprechen zu finanzieren.“

SPD will kein Spargesetz

Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sprach sich für eine Stärkung der heimischen Pflege aus. Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, und Gesundheitsexperte Christos Pantazis erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme: „Mit uns wird es kein Spargesetz auf dem Rücken der Schwächsten geben.“

Branche erwartet Konkretisierungen

„Der ‚Zukunftspakt Pflege‘ sollte halten, was sein Name verspricht – nämlich Antworten auf die zentralen Zukunftsfragen der professionellen Pflege geben. Diese lauten: Wie bleibt Pflege flächendeckend verfügbar, für Einrichtungen finanzierbar und für Pflegebedürftige bezahlbar?„, meint Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB). Die vorgesehenen Schritte wirkten angesichts der Herausforderungen eher zaghaft. „Eine verlässliche Dynamisierung der Leistungsbeträge könnte zwar die Eigenanteile dämpfen, doch die Finanzierungsproblematik in der Pflegeversicherung würde sich weiter verschärfen, wenn die Kostensteigerungen nicht wirksam begrenzt werden.“

Es brauche klare Konkretisierungen, auf die die Fachwelt seit Langem warte. „Entscheidend wird sein, welche konkreten Vorschläge nun entwickelt werden und wie entschlossen die Politik ist, diese auch umzusetzen. Leider kommt bislang die Einrichtungsseite viel zu kurz. Pflegeeinrichtungen brauchen mehr unternehmerische Freiheit und Flexibilität bei den Pflegeangeboten sowie weniger Bürokratie. Darüber hinaus gilt es, die Wirtschaftlichkeit der Pflegeunternehmen zu sichern. Denn alle Reformbestrebungen greifen zu kurz, wenn vor Ort das Angebot fehlt.“

Johanniter begrüßen Schritte zur Entlastung Pflegebedürftiger

Zum Zwischenbericht erklärt Thomas Mähnert, Mitglied des Bundesvorstandes der Johanniter-Unfall-Hilfe: „Pflegebedürftigkeit darf niemanden in finanzielle Not bringen. Daher begrüßen wir, dass die Bund-Länder-Gruppe an einer Begrenzung der Eigenanteile arbeitet, um pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen zu entlasten.“ Auch die Weiterentwicklung von Beratungsangeboten zur Stärkung häuslicher Pflegearrangements sei ein zukunftsweisender Schritt.

„Wir halten es jedoch für nicht zielführend, den Zugang zu Pflegeleistungen durch höhere Schwellenwerte bei der Einstufung zu erschweren. Die Einbeziehung kognitiver Einschränkungen in die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit ist eine wichtige Errungenschaft, die keinesfalls zurückgedreht werden darf.“ Ziel müsse vielmehr sein, die Leistungen zu vereinfachen und ihre Wirksamkeit zu erhöhen.

Mit dem Prüfauftrag zur sektorenübergreifenden Ausgestaltung von Leistungsbudgets bis 2027 werde grundsätzlich der richtige Weg beschritten, eine schnellere Umsetzung sei jedoch dringend geboten. „Eine umfassende Struktur- und Finanzierungsreform erkennen wir im vorliegenden Entwurf noch nicht – wir werden den Reformprozess jedoch weiterhin eng begleiten“, betonte Mähnert.

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