„Fehlendes ökonomisches Verständnis“

„Team Ich“: Schwere Vorwürfe gegen Spahn

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Berlin -

Erneut werden Details aus dem Bericht des Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu den Maskendeals während der Corona-Pandemie bekannt. Demnach enthält das Dokument schwere Vorwürfe gegen den früheren Ressortchef Jens Spahn (CDU). Der verteidigte sich im ARD: Er sprach von „subjektiven Wertungen einer einzelnen Person“.

Süddeutsche Zeitung (SZ), NDR und WDR zitierten aus dem bislang unter Verschluss gehaltenen 170-seitigen Bericht, den Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) bei der früheren Staatssekretärin Margaretha Sudhof in Auftrag gegeben hatte. Demnach hätten bei der Maskenbeschaffung unter Spahn „fehlendes ökonomisches Verständnis“ und „politischer Ehrgeiz“ am Ende dazu geführt, dass nicht als „Team Staat“, sondern als „Team Ich“ gehandelt worden sei.

Kritisch bewertet wird auch die Tatsache, dass „per SMS und Messenger (im Wesentlichen wohl WhatsApp) kommuniziert wurde“, ohne dass diese Chats im BMG archiviert worden seien. Spahn habe bei den Maskenbestellungen „immer wieder persönlich interveniert“, dies sei häufig von seinem Mailaccount beim Bundestag und nicht dem im Ministerium geschehen.

Dem Bericht zufolge habe Spahn in der Pandemie in vielerlei Hinsicht eigenmächtig und „nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen“ gehandelt, schreiben SZ, NDR und WDR. Die Fachabteilungen hätten sich dafür ausgesprochen, die Maskenbeschaffung vom Innenministerium koordinieren zu lassen, so wie es auch der Corona-Krisenstab am 5. März 2020 beschlossen hatte.

„Außer Kontrolle geraten“

Spahn jedoch habe beschlossen, „die Beschaffung allein meistern zu wollen“ – und angeordnet, mit dem BMG selbst in die Maskenbeschaffung einzusteigen. Angesichts „eines außer Kontrolle geratenen Beschaffungs- und Logistikprozesses“ habe man aber schon bald „den Anspruch auf Eigenbefähigung“ aufgegeben und externe Beratungsfirmen wie EY und Deloitte mit der Abwicklung beauftragt. Diese koordinierten demnach auch „die sich aus den Beschaffungen des BMG ergebenden Streitigkeiten, verhandelten Vergleiche oder entschieden über die Rücktritte von Verträgen“.

Kritik sei nicht als Warnsignal betrachtet worden, heiße es in dem Bericht weiter. Das Bundesamt für Ausrüstung, eine Einrichtung der Bundeswehr, habe bereits „initial vor dem Konstrukt des Open-House-Verfahrens gewarnt“ – wegen der „fehlenden Mengen- und Qualitätssteuerung der zu erwartenden Anlieferungen“.

Auch die Warnung des zum Innenministerium gehörenden Beschaffungsamtes sei ignoriert worden, „die schlichten oder widersprüchlichen Vertragswerke beschäftigen den Bund bis heute“. So konstatiert der Bericht: „Weitere erhebliche Risiken stehen allerdings heute noch aus und werden sich absehbar künftig noch im Bundeshaushalt niederschlagen.“

„Nicht nach Vergaberecht“

Spahn sprach im „Bericht aus Berlin“ erneut von einer damaligen Notsituation. Zu Beginn der Pandemie habe niemand gewusst, was genau passiere. In den Krankenhäusern seien Masken und Schutzausrüstung knapp gewesen. Pflegekräfte und Ärzte hätten gesagt, sie stellten den Dienst ein, wenn sie nicht bald Masken bekommen. Masken seien weltweit nicht zu kriegen gewesen. „In der damaligen Zeit haben wir nicht nach Vergaberecht Masken beschafft.“ Dies sei in der Bundesregierung miteinander vereinbart worden.

Das Problem sei damals gewesen, dass die Beschaffungsämter des Bundes im Innen- und im Verteidigungsministerium einfach keine Masken erhalten hätten auf dem herkömmlichen Weg. Dann habe das Kabinett entschieden, dass das BMG Masken beschaffe.

Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, sehr zügig eine Enquete-Kommission des Bundestags einzusetzen, „idealerweise“ noch vor der Sommerpause. Es sei eine systematische Aufarbeitung der Pandemiezeit nötig.

Der Ermittlerin wirft Spahn vor, „nicht nur Sachfragen behandelt, sondern umfangreich persönliche Wertungen vorgenommen“ zu haben. Er selbst sei nie befragt worden. Auch seine Fraktion übt Kritik an Sudhof. Der Bericht sei parteipolitisch motiviert und voller persönlicher Wertungen, hieß es in einer Stellungnahme.

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