Hartmann schreibt an Merz

„System am Limit“: Apotheken brauchen jetzt Entlastung

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Berlin -

Auch der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) hat wegen des anstehenden Kabinettstermins zur Apothekenreform einen offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) geschrieben.

 

Seit 13 Jahren warteten die Apotheken auf eine sachlich und wirtschaftlich dringend gebotene Anpassung ihres Honorars. „Die im Gesetz vorgesehene regelmäßige Anpassung an reale Kostenentwicklungen blieb – entgegen eindeutiger Vorgaben – weitgehend aus. Für jeden anderen systemrelevanten Bereich wäre dies unvorstellbar. Doch gerade jener Sektor, der die Arzneimittelversorgung von 83 Millionen Menschen sicherstellt, arbeitet weiterhin mit einer Vergütungsstruktur, die der wirtschaftlichen Realität längst nicht mehr standhält“, so der BVDAK-Vorsitzende Dr. Stefan Hartmann.

Der dreizehn Jahre andauernde Stillstand sei ein struktureller Ausnahmefall: Seit 2013 hätten Inflation, Kostenentwicklung und Fachkräftemangel die reale Vergütung dramatisch entwertet. „Unter diesen Bedingungen lässt sich eine flächendeckende, qualitätsgesicherte Arzneimittelversorgung nicht dauerhaft sicherstellen. Deutschland lebt auch in diesem Bereich von Substanz, die längst aufgebraucht ist.“

Lieferengpässe, explodierende Bürokratie, massiv steigende Betriebskosten und ein akuter Personalmangel prägten den Alltag der Apotheken. „Die Zahl der Standorte sinkt – besonders im ländlichen Raum. Dass die Versorgung noch funktioniert, ist dem überdurchschnittlichen Engagement von Apothekerinnen und Apothekern zu verdanken, die weit über ihre wirtschaftliche Belastungsgrenze hinaus Verantwortung übernehmen. Dieses Engagement darf die Politik nicht länger stillschweigend voraussetzen.“

Völlig zu Recht forderten die Koalitionspartner im aktuellen politischen Diskurs – insbesondere rund um das Rentenpaket – ein, dass die Inhalte des Koalitionsvertrages verbindlich seien und Vertrauen nur bestehen könne, wenn sich alle Koalitionäre an Vereinbartes hielten. „Genau dieselbe Verlässlichkeit erwarten auch wir Apothekerinnen und Apotheker: Ein Koalitionsvertrag kann nicht selektiv gelten. Er ist entweder verbindlich – oder wertlos.“

Umso irritierender wirkten jüngste öffentliche Äußerungen aus Reihen der Koalition, wonach „klar geworden sei, gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“. „Für die selbständigen Apothekerinnen und Apotheker – stellvertretend für hunderttausende Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land – stellt eine solche Aussage einen Schlag ins Gesicht dar, ist demotivierend und frustrierend“, so Hartmann. „Wir tragen Verantwortung für 160.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Tag für Tag unter extremen Bedingungen die Arzneimittelversorgung sicherstellen. Nach 13 Jahren ohne Honoraranpassung dürfen wir zu Recht erwarten, dass die im Koalitionsvertrag festgelegte Erhöhung umgesetzt wird.“

Über Jahre hinweg seien dringend notwendige strukturelle Reformen im Gesundheitswesen verschoben und stattdessen Leistungen ausgeweitet, Bürokratie aufgebaut und Probleme vertagt worden. „Die Folgen sind heute unübersehbar: ein System am Limit. Dass die Apotheken diesen Zustand abfedern sollen, obwohl sie selbst längst überlastet sind, ist weder fair noch nachhaltig. Ein Gesundheitssystem kann nicht dauerhaft darauf bauen, dass diejenigen, die es tragen, die Versäumnisse der Politik kompensieren.“

Das Ausbleiben klarer Entscheidungen der politischen Mitte hinterlasse derzeit ein Vakuum, das zunehmend von politischen Kräften gefüllt werde, die sich der berechtigten Sorgen der Apotheken annähmen. „Dass solche Kräfte Gehör finden, sollte niemanden überraschen. Wenn diejenigen, die das Versorgungssystem tragen, sich von der politischen Mitte nicht ernst genommen fühlen, verliert genau diese Mitte an Bindungskraft und Vertrauen.“

Die Entscheidung, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Honoraranpassung nicht umzusetzen, treffe nicht Institutionen, sondern Menschen. „Menschen, die tagtäglich Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung übernehmen – oft unter Bedingungen, die längst nicht mehr tragbar sind. So wie im Bereich der Rente auf Vertragstreue bestanden wird, dürfen auch wir die Einhaltung vertraglicher Vereinbarungen erwarten.“

Man bitte daher eindringlich: „Setzen Sie gemeinsam mit der Bundesgesundheitsministerin die zugesagte Anpassung des Fixhonorars unverzüglich um – nicht als politische Geste, sondern als zwingend notwendige Maßnahme zur Sicherung der Arzneimittelversorgung in Deutschland. Die Apotheken sind bereit, Verantwortung zu tragen. Doch Verantwortung und Verlässlichkeit dürfen keine Einbahnstraße sein.“

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