Morgen soll die Apothekenreform von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) im Kabinett abgesegnet werden. Die Abda hatte während der letzten Wochen immer wieder betont, dass die Phase bis zum Kabinettsbeschluss eine Dialogphase sei und man die Füße stillhalten wolle. Für morgen ist allerdings eine Aktion geplant: So sollen die Lichter in der Offizin ausgeschaltet werden. Im Dunkeln bleibt auch, ob und mit welchen Änderungen das Apothekenversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) vorgelegt werden wird. Ob es noch Änderungen im Entwurf gebe, konnte Abda-Präsident Thomas Preis nicht sagen, ein Kabinettsentwurf liege der Abda noch nicht vor.
Der Koalitionsvertrag der Anfang des Jahres neugewählten Regierung sei für die Apotheken sehr verheißungsvoll gewesen. „Es gab zum ersten Mal ein eigenes Kapitel über die Apotheken und die Versorgungsleistungen der öffentlichen Apotheken“, sagte Preis. „Ein ganz klarer Schwerpunkt war die wirtschaftliche Stärkung.“ Klar habe es im Koalitionsvertrag gelautet, dass das Apothekenpackungsfixum einmalig auf 9,50 Euro erhöht werden solle.
„Das hat uns natürlich sehr beruhigt“, so Preis, denn die Apotheken seien wirtschaftlich in einer sehr schweren Situation; die Folge seien immer mehr Schließungen. Seit 2013 seien bundesweit fast 20 Prozent der Apotheken verloren gegangen. Kosten seien in den letzten Jahren um 65 Prozent gestiegen, insbesondere die Personalkosten. Das sei nicht aufgefangen worden.
Dabei hätten die Apotheken mit rund einer Milliarde Versorgungs- und Beratungskontakten pro Jahr genauso viele Kontakte wie Arztpraxen. Dennoch würden die Ausgaben der Krankenkassen für Arztpraxen fast zehnmal höher liegen, für Krankenhäuser sogar 20-mal höher, als die 5,8 Milliarden Euro, die die Apotheken kosteten. „Das sind, um das mal prozentual auszudrücken: Weniger als 2 Prozent der Gesamtausgaben der Krankenkassen werden für die Dienstleistungen der Apotheken ausgegeben und für die Arztpraxen 15 Prozent und für die Krankenhäuser über 30 Prozent aller Ausgaben“, erklärte Preis. Nach 13 Jahren Honorarstillstand sei die Anhebung des Fixhonorars daher dringend notwendig und mehr als überfällig.
Trotz der klaren Versprechen im Koalitionsvertrag fehle die Honorarerhöhung in dem von Warken auf dem DAT vorgestellten Entwurf. Auch an der grundsätzlichen Systematik der Versorgungsleistung der Apotheken gebe es im Entwurf noch Bedenken. „Das lässt viele Apothekerinnen und Apotheker in ihren Apotheken recht verzweifeln, denn eine Erhöhung ist dringend notwendig“, betonte Preis.
Aktuell stehe zwar das Thema Apothekenreformgesetz auf der Agenda des Kabinetts, aber ein Kabinettsentwurf liege der Abda immer noch nicht vor. „Wir wissen bis jetzt noch nicht, ob das Thema morgen wirklich stattfinden wird.“
„Wir sind im regelmäßigen Austausch mit dem BMG“, erklärte Preis. Das BMG habe die Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge, die die Standesvertretung in den Gesprächen und Anhörungen vorgetragen habe, abgewogen. „Wir gehen davon aus, dass es bestimmt auch Änderungen gibt, aber welche Änderungen das sind, wissen wir nicht“, so Preis.
Deshalb sei eine Blackout-Aktion vorgesehen. „Der Abda-Vorstand hat beschlossen, morgen, am 17. Dezember, eine öffentlichkeitswirksame Maßnahme in ganz Deutschland zu implementieren“, erklärte Abda-Sprecher Benjamin Rohrer. „Mit der Aktion Blackout wollen die Apotheken symbolisch erfahrbar machen, was es bedeuten würde, wenn die flächendeckende Arzneimittelversorgung wegbricht. Wir wollen damit ein Zeichen setzen.“
Man habe die Apotheken an dem Aktionstag aufgerufen, „natürlich weiterhin zu versorgen“, und dennoch ein Zeichen zu setzen, indem sie das Licht ausmachen, Schwarz tragen, Poster aufhängen oder Ähnliches. Man wolle den Apotheken kreativen Freiraum lassen.
Auch im Social-Media-Bereich solle die Aktion mit dem Hashtag #Versorgungsblackout Sichtbarkeit erhalten.
Die Abda stelle ein Maßnahmenpaket zum Download zur Verfügung mit Flyern, Postern, Social-Media-Bannern, Kampagnen-Leitfäden, Erklärvideos und Patientenhandzetteln sowie Social-Media-Content.
Rohrer wies auf die große Resonanz hin: „Wir sind sehr froh, dass wir jetzt nach wenigen Tagen, in denen das Material online ist, eine sehr gute Beteiligung haben.“ Bis gestern Abend seien bereits 11.000 einzelne Downloads auf dem Kampagnenportal zu verzeichnen; heute Morgen seien es bereits 13.700. „Das spricht für eine hohe Beteiligung“, so Rohrer.
Auch der Start der dm-Apotheke wurde angesprochen. „Wir nehmen den Einstieg eines neuen Versandhändlers ernst, aber eins ist klar: Die Rahmenbedingungen für die öffentlichen Apotheken haben sich durch den Einstieg eines neuen Versandhändlers aus dem Ausland überhaupt nicht geändert“, erklärte Preis. Der Versandhandel mit Arzneimitteln aus dem Ausland sei in Deutschland bereits seit über 20 Jahren zugelassen.
„Warm anziehen müssen sich wahrscheinlich die anderen Versandhändler, für die öffentlichen Apotheken ändert sich aus unserer Sicht nichts“, so Preis.
Arzneimittelabgabe sei kein logistischer Vorgang, sondern ein Versorgungsauftrag, den nur Apotheken wahrnehmen könnten. Es komme bei der Arzneimittelversorgung insbesondere auch auf Schnelligkeit und gute Beratung an. „Das ist gewährleistet durch die Apotheken vor Ort. Dort sind die Medikamente sofort verfügbar – und das mit der notwendigen persönlichen heilberuflichen Beratung.“
Auf die Frage, warum die Abda nicht zu Streiks aufrufe, verwies Preis auf das Gesetzgebungsverfahren. Aktuell befinde man sich im Prozess eines Apothekenreformgesetzes. Noch liege nicht einmal ein Kabinettsbeschluss vor. „Deshalb waren wir bis vor wenigen Tagen und sind auch weiter im Gespräch mit der Bundesregierung“, so Preis. Erst nach dem Kabinettsbeschluss werde das Reformgesetz zum parlamentarischen Vorgang, der sich nach den aktuellen Zeitplanungen von Januar bis in den Frühsommer hinein ausdehnen werde. „Und das ist die Zeit, um weitere eskalierende Schritte zu machen“, kündigte Preis an.
„Heute ist noch nicht der Tag, um auf die Straße zu gehen. Morgen auch noch nicht, aber diese Tage werden kommen, wenn die Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag nicht umgesetzt werden“, erklärte Preis.
Rohrer ergänzte, dass die Abda nicht zu Streiks im tarifrechtlichen Sinne aufrufen könne, sondern nur zu Protestaktionen.
Es gebe in dem Entwurf zwar weitere Aspekte, die die Apotheken wirtschaftlich entlasten könnten und möglichst bald auch umgesetzt werden müssten, zum Beispiel die Aufhebung des Skonti-Verbotes. „Aber das alleine rettet die desaströse wirtschaftliche Situation der öffentlichen Apotheken überhaupt nicht. Deshalb muss eine Erhöhung stattfinden“, betonte Preis.
Eine Erhöhung sei auch trotz der finanziellen Lage der Kassen möglich, das sehe man beispielsweise an der Ärzteschaft, die im September während des Deutschen Apothekertags um neue Honorare verhandelt habe und eine Erhöhung von 2,8 Prozent erhielt.
„Das bedeutet ungefähr 1,4 Milliarden für die Krankenkassen und die Erhöhung der Apotheken sind noch nicht mal eine Milliarde“, rechnete Preis vor.
Eine kleine Honorarerhöhung nach 13 Jahren Stillstand sei in jedem Fall in den Budgets der Krankenkassen möglich. „Das ist alternativlos für uns und das werden wir auch fordern und da werden wir nicht lockerlassen“, versprach Preis.
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