Umfrage unter Ärzt:innen

Praxisinhaber: Mehrheit ist unzufrieden

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Berlin -

Die Stimmung unter den Inhaberinnen und Inhabern von Praxen ist auf dem Tiefpunkt: Bei einer Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) bewerteten 55 Prozent von 3400 Teilnehmenden die Situation aktuell als schlecht oder sehr schlecht. „Kostensprünge, Bürokratielast und mangelnde Wertschätzung zehren die Praxen aus“

Laut Zi ist die Stimmung unter den 185.000 in Deutschland niedergelassenen Haus- und Fachärzt:innen sowie Psychotherapeut:innen auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Waren 2019 noch 30 Prozent der Befragten mit ihrer Situation in der Niederlassung unzufrieden, stieg dieser Wert in den beiden Folgejahren bereits auf 41 beziehungsweise 45 Prozent an. Anfang 2023 haben nun schon 55 Prozent der Niedergelassenen ihre berufliche Situation als schlecht beziehungsweise sehr schlecht eingeschätzt.

Die Bewertung fällt für die einzelnen Fachgebiete unterschiedlich aus. Während im Fachgebiet Psychotherapie 37 Prozent ihre Situation in der Niederlassung als schlecht oder sehr schlecht finden, kamen jeweils über 70 Prozent der Inhaber:innen gynäkologischer und orthopädischer Praxen zu einer negativen Bewertung. Im größten Fachgebiet der hausärztlichen Allgemeinmedizin und Inneren Medizin wurde die Lage von 60 Prozent der Niedergelassenen als schlecht bis sehr schlecht bewertet.

Deutliches Warnzeichen

„Unser Barometer zeigt ein besorgniserregendes Stimmungsbild in den ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden bewertet die Rahmenbedingungen für ihren Praxisalltag zutiefst negativ“, so der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. „Das ist ein mehr als deutliches Warnzeichen. Kostensprünge und Bürokratielast zehren die Praxen aus. Mangelnde Wertschätzung durch die Politik und handfeste wirtschaftliche Nachteile demotivieren die Praxisinhaber:innen zunehmend. Diese äußert sich unter anderem in zahllosen Regressandrohungen, im Zwang eine dysfunktionale Telematikinfrastruktur implementieren zu müssen, die den Praxisbetrieb lahmlegt, und in der unzureichenden Weiterentwicklung der Finanzierung durch die Krankenkassen. Die Folge: Der medizinischen Versorgung werden die Praxen ausgehen. Wer aufhört, findet immer seltener Nachfolgende für die Praxis.“

Mit Blick auf den anstehenden Generationswechsel in den Praxen fordert Stillfried, dass die Rahmenbedingungen für die Niederlassung attraktiver gestaltet werden müssten: „Schon jetzt sind bundesweit fast 6000 Arztsitze unbesetzt, weil die Niederlassung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der ärztlichen Berufstätigkeit an Attraktivität eingebüßt hat.“

Praxen sind abgehängt

Aber auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit angestellten Ärztinnen und Ärzten seien bedroht. Denn die ambulante ärztliche Versorgung sei chronisch unterfinanziert. Aktuell bestehe eine Finanzierungslücke von 1,8 Milliarden Euro. „Und die Praxen werden immer weiter abgehängt: Während die Krankenkassen für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen im 1. Quartal 2023 nur um 1,6 Prozent mehr ausgegeben haben, schnellten die Ausgaben für Krankenhäuser mit 7,7 Prozent nach oben.“

In der Sorge um eine Existenzsicherung der Kliniken werde immer wieder übersehen, dass die Praxen das Fundament der medizinischen Versorgung in Deutschland seien, so von Stillfried. „Sie behandeln weit mehr als das Zwölffache dessen, was Krankenhäuser ambulant leisten. Fallen die Praxen zunehmend aus, werden Lücken gerissen, die die jetzt schon völlig überforderten Krankenhäuser niemals werden füllen können. Die Politik kann das Ruder herumwerfen oder sehenden Auges in den Praxenkollaps steuern.“

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