Die Apotheken warten auf die versprochene Honorarerhöhung, Hessens Verbandschef Holger Seyfarth forderte die schnelle Umsetzung des Koalitionsvertrags. Konkrete Versprechen konnte Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) beim Sommerempfang des HAV noch nicht machen. Aber dass die Maßnahmen kommen, die sie immerhin mit verhandelt hat, daran hat sie keinerlei Zweifel.
„Wir wollen die Apotheken stärken, in der Stadt und auf dem Land“, sagte Stolz. Dieser Ansatz werde auch fraktionsübergreifend vom hessischen Landtag getragen. Dass man in den Ländern etwas bewirken könne, habe der Protest gegen die Reformpläne des früheren Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) gezeigt. „Sie haben sich mit einem Hilferuf an uns gewandt, und gemeinsam haben wir uns sehr klar, sehr deutlich positioniert. Wir haben nicht gepoltert, sondern sachlich argumentiert und für die Apotheke gestritten. Das hat uns auch Aufmerksamkeit auf Bundesebene eingebracht und letztlich das Gesetz mit verhindert.“
Sie sei tatsächlich ein Fan der Apotheke, so Stolz. Bevor sie Ministerin geworden sei, habe sie als Gesundheitsdezernentin die Pandemie hautnah mitgemacht. Auch wenn sie die politische Verantwortung getragen und einige schlaflose Nächte gehabt habe: Die Apotheken seien immer eine feste Bank gewesen, auf die sich habe verlassen können. „Das werde ich nicht vergessen.“
Aber auch ohne akute Krise – und das müsse gar nicht immer eine Pandemie sein – brauche man die Apotheken in der tagtäglichen Versorgung. „Ich habe das Konzept der Gesundheitskiosk nie verstanden, denn genau das ist doch die Apotheke. Ich kenne keinen anderen Ort, wo ich ohne Termin durch die Tür gehen kann und Hilfe durch Approbierte bekomme.“ Deshalb sei sie auch immer gegen die Apotheke light von Lauterbach gewesen.
„Die Apotheke ist ein Wert für sich“, so Stolz. „Deshalb müssen wir sie stärken.“ Und wenn man schauen wolle, was man in Zukunft noch leisten könne, müsse man das gemeinsam tun: „Das kann nicht die Politik alleine, wir brauchen Ihre Anregung, wie die Zukunft aussehen soll.“ Dabei müsse man auch Strukturen und Routinen hinterfragen. „Müssen wir Dinge weiter so handhaben, nur weil es immer so war?“ Sie forderte die hessischen Apothekerinnen und Apotheker auf, dazu Vorschläge zu machen: „Überlegen Sie mal!“
Was die Apothekenreform angehe, habe sie die drängenden Themen in einem Gespräch mit Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) platziert. Weitere Gespräche dazu sollten folgen. Stolz hat keinen Zweifel, dass die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst werden. „Ich bin mit einem guten Gefühl für die Apotheken aus den Verhandlungen gegangen, jetzt geht es darum, diese umzusetzen. Sie können sich sicher sein: Ich werde Sie weiter unterstützen.“

Zuvor hatte Seyfarth aufgezählt, welche normalen und besonderen Leistungen die Apotheken erbringen – und auch in Zukunft erbringen wollen. „Was uns auszeichnet, ist die Kombination aus Handwerk und Verantwortung und damit eine Qualität auf hohem Niveau. Ich bin erstaunt, wie oft das für selbstverständlich gehalten wird. Aber wenn es weg ist, dann ist es weg.“
Die Versorgung in der Güte lässt sich seiner Meinung nach nur im direkten Kontakt erbringen. „Das ganze System funktioniert im Grunde nur, wenn die Apotheke da ist. Wir kümmern uns, ohne uns wäre die Pandemie vielleicht anders verlaufen.“
Es gehe auch darum, Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten. Und wenn das wieder diskutierte Rx-Versandverbot komme, fließe plötzlich auch wieder mehr Geld in Form von Gewerbesteuer in die Gemeinden. Abgesehen davon führe die Arbeit der Apotheken zu Einsparungen, etwa wenn Rezeptfehler erkannt und gelöst würden.
Was man also brauche, sei ein fairer Wettbewerb. „Man muss den Boni-Zirkus jetzt beenden. Gesetze gelten für alle, nicht nur für die Vor-Ort-Apotheke.“ Regeln müssten eingehalten werden, Verstöße geahndet und sanktioniert werden. „Die Politik ist gefordert, dass die Exekutive ihre Wächterfunktion ausüben und auch ohne die Gefahr von Regressen Maßnahmen ergreifen kann.“ Das reiche bis zum Ausschluss vom Vertrag. „Man kann sich nicht einklagen und dann nur die Rosinen herauspicken und hoffen, dass man möglichst lange damit durchkommt.“
Seyfarth forderte nicht nur die Umsetzung des Koalitionsvertrags, sondern auch, dass die Honorarerhöhung und die Skonto-Regelung vorgezogen werden. Beides ließe sich per Verordnung schnell und unkompliziert regeln. „Wir können unseren Mitgliedern nicht mehr erklären, warum hier nicht endlich gehandelt wird.“ Das seien normale Positionen; „wir Apotheken heben bei unseren Forderungen nicht ab“.
Dass die Berufsanerkennung für Gesundheitsberufe angegangen werde, sei toll – aber man müsse bitte auch PTA berücksichtigen. Und was die versprochene Entbürokratisierung angehe: Er habe in der Apotheke mittlerweile 40 Ordner zur Dokumentation stehen; vor 20 Jahren hätten noch sechs genügt. „Da ist etwas aus dem Ruder gelaufen, das muss man wieder einfangen.“
Seyfarth machte sich auch für neue Rechtsformen für Apotheken stark – Stichwort Apotheken-GmbH. „Der Nachwuchs kann eine Apotheke leiten, aber er scheut das Risiko.“ Eine Investition im hohen sechsstelligen Bereich tue sich niemand mehr an, der es als Angestellter einfacher haben könne. „Das könnte man lösen, indem man andere Rahmenbedingungen schafft.“ Seyfarth ist der erste Verbandschef, der das Thema offensiv angeht, was auch damit zusammenhängen dürfte, dass sein Vize Guido Kruse das Thema über den Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) vor sich her treibt.
Im Alltag müssten die Entscheidungsräume vergrößert werden; Kleinpackungen sollten in der Dauermedikation in dringenden Fällen auch ohne Rezept abgegeben werden können. „Warum sollten ausgerechnet wir nicht helfen können?“ Das E-Rezept müsse robuster werden; heute sei man vom Provider abhängig und müsse schon viel Glück haben, damit es dauerhaft störungsfrei funktioniere.
Prävention und pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) müssten ausgebaut werden. „Wir können viel, wir sehen die Menschen und können sie oft zuerst ansprechen, bevor Krankheiten sich manifestieren. Die Spielwiese ist groß, solange die Apotheke noch da ist.“