Aufarbeitung der Corona-Pandemie

Bundestag beschließt Enquete-Kommission

, Uhr aktualisiert am 11.07.2025 09:58 Uhr
Berlin -

Eine Enquete-Kommission des Bundestags soll eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen angehen. Das Parlament beschloss die Einsetzung des Gremiums mit breiter Mehrheit von Union, SPD, Grünen und Linken. Bei der AfD gab es Nein-Stimmen und Enthaltungen. Der Kommission sollen 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige angehören. Sie soll bis Mitte 2027 einen Bericht mit Empfehlungen für künftige Krisen vorlegen.

Die Arbeit aufnehmen soll die Kommission im September, wie der Unions-Obmann im zuständigen Ausschuss, Hendrik Hoppenstedt (CDU), sagte. Als Vorsitzende ist die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann nominiert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Einsetzung der Kommission: „Aufarbeitung schafft die Chance, Menschen zurückzugewinnen, die Vertrauen in die Demokratie verloren haben“, sagte er nach Angaben seiner Sprecherin.

In der vergangenen Wahlperiode war eine große Analyse und Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und vielen Beschränkungen auf Bundesebene nicht zustande gekommen. Die akute Corona-Krise hatte 2020 begonnen, die letzten bundesweiten Alltagsauflagen endeten Ostern 2023.

Der Titel des Gremiums soll lauten: „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“. Die Pandemie habe Bürger und Bürgerinnen, Zivilgesellschaft, staatliche Institutionen, Unternehmen, Kunst und Kultur von 2019 bis 2023 mit Herausforderungen „von historischer und seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannter Tragweite“ konfrontiert, heißt es im Antrag. Um schwerwiegende Folgen besonders für Risikogruppen abzuwenden, sei es auf Solidarität angekommen – und eine Abwägung der Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft und eine verhältnismäßige Gestaltung von Grundrechtseingriffen.

Grünen-Gesundheitspolitiker Dr. Janosch Dahmen forderte Donnerstagmorgen im rbb24 „Inforadio“: „Ich erwarte von der Enquete-Kommission, dass sie aus der größten Gesundheitskrise unserer Zeit die richtigen Lehren zieht. Es geht um die Resilienz unserer Demokratie, unseres Gesundheitssystems, unserer ganzen Gesellschaft und diese zu stärken“ – und damit um mehr als eine reine Fehleranalyse. „Wie schützen wir uns zukünftig frühzeitiger, aber auch gerechter? Wie vermeiden wir, dass soziale Ungleichheit sich in Krisen verschärft? Wie sichern wir das Vertrauen in demokratische Strukturen, in demokratische Kontrolle auch in Ausnahmesituationen?“

„Und ich glaube, die Enquete-Kommission ist da eine große Chance, aus diesen ganzen Lehren Handlungsempfehlungen für die nächste Krise zu ziehen, damit wir beim nächsten Mal alles möglichst besser machen und niemand sagen muss, das hätte man alles wissen können“, so Dahmen weiter.

Das Untersuchungsziel

Eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Pandemie und des staatlichen und gesellschaftlichen Handelns sei unerlässlich, um belastbare Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen, heißt es zum Untersuchungsziel. Leitend solle sein, „dass alle Maßnahmen und Entscheidungen immer nur vor dem Hintergrund des Informationsstands zum betreffenden Zeitpunkt bewertet werden können“. Trotz vieler Untersuchungen etwa auch in den Ländern hätten viele den Eindruck, die Pandemie sei noch nicht ausreichend aufgearbeitet.

Die Enquete-Kommission

In der vorherigen Wahlperiode, gleich nach der akuten Krise, war eine große Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und Alltagsvorgaben auf Bundesebene nicht zustande gekommen. Diskutiert wurde unter anderem über einen Bürgerrat, die Ampel-Koalition konnte sich aber nicht verständigen. Union und SPD vereinbarten nun im Koalitionsvertrag eine Enquete-Kommission. Das französische Wort „enquete“ bedeutet Untersuchung, Befragung. Die AfD fordert einen Untersuchungsausschuss und stellt dies auch zur Abstimmung.

Die Zusammensetzung

Der Kommission sollen 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige angehören. Laut Antrag benennt die Union fünf Abgeordnete, AfD und SPD jeweils drei, die Grünen zwei und die Linke einen Abgeordneten. Die Sachverständigen sollen im Einvernehmen benannt werden – mit angemessener Beteiligung von Ländern und Kommunen und ausgewogener Vertretung der Wissenschaftsdisziplinen und Gesellschaftsbereiche. Kommt kein Einvernehmen zustande, sollen die Fraktionen die Experten wie nach dem Abgeordneten-Schlüssel benennen.

Der Auftrag

Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten: Die Früherkennung mit Pandemieplänen und Vorsorge. Das Krisenmanagement mit den Bund-Länder-Runden der Ministerpräsidentenkonferenz, Krisenstäben und der Einbindung wissenschaftlicher Expertise. Der rechtliche Rahmen und die parlamentarische Kontrolle. Die Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung mit Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, Ältere und Sterbende. Impfungen und das Beschaffen von Schutzausrüstung wie Masken und Tests. Hilfen für Unternehmen und den Arbeitsmarkt. Auswirkungen auf Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine.

Die Arbeitsweise

Die Kommission soll öffentliche Anhörungen von Experten, Interessenvertretern und Betroffenen abhalten und Gutachten einholen können. Perspektiven und Erfahrungen von Bürgern könnten „insbesondere durch öffentliche Formate einbezogen werden“, heißt es im Antrag. Auch eine „altersgerechte Befragung“ von Kindern und Jugendlichen ist möglich. Die „laufende Erkenntnisgewinnung“ und Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit in geeigneter Form zugänglich gemacht werden – mit Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Informationen.

Der Abschlussbericht

Die Kommission soll dem Bundestag bis zum 30. Juni 2027 einen umfassenden Abschlussbericht mit Erkenntnissen und Handlungsempfehlungen vorlegen. Möglich sind auch Zwischenberichte zu abgeschlossenen Aspekten, was eine frühere parlamentarische und politische Befassung damit ermöglichen soll. Alle Mitglieder der Kommission sollen auch Sondervoten abgeben können. Mit dem Abschlussbericht veröffentlicht werden sollen auch Protokolle der Sitzungen, wenn die Kommission nicht öffentlich getagt hat.

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