Antrag zurückgezogen

AKWL: Kein Abda-Austritt, sondern -Reform

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Berlin -

Vor der Kammerversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) hat Jörg Nolten, Inhaber der Glocken-Apotheke in Bottrop, große Wellen geschlagen. Der Apotheker forderte in seinem Antrag den Austritt aus der Abda – dafür führte der Apotheker eine lange Begründung an. Der Begründung stimmten die Mitglieder auf der Kammerversammlung insgesamt zu – dem Austrittsgesuch allerdings nicht.

Information und Organisation seien früher vollkommen anders gedacht worden. „Jeder machte alles für seine Mitglieder.“ Während selbst große Krankenkassen ihre Marktmacht bündelten und professionalisierten, arbeite die Apothekerschaft immer noch in Einzelstrukturen mit Ehrenamtlern dagegen an. „Die Zeiten, in denen eine einfache, regionale Struktur ausreichte, um die Anliegen der Apothekerinnen und Apotheker wirkungsvoll zu vertreten, sind vorbei“, erklärte Nolten.

Ein Beispiel hierfür sei die Retaxation von Mounjaro, mit der sich aktuell 34 Kammern und Verbände bislang ohne Erfolg einzeln befassten. Anstelle dieser isolierten Bemühungen wäre ein gemeinsames Vorgehen des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) mit einer übergeordneten Lösung und einer koordinierten Positionierung zielführender.

Unter dem Dach der Abda zeigten sich auch Interessenkonflikte zwischen Apothekerverbänden, die für Maßnahmen wie Streiks eintreten, und den zur Versorgung verpflichteten Apothekerkammern.

Der Apotheker führte ein Szenario aus: „Stellen Sie sich vor, der DAV oder der AVWL ruft nicht zum Streik auf. Die Kammer klagt im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Das Gericht gibt den Klägern mit Blick auf die nicht erfüllten Versprechungen der Politik und den seit 20 Jahren ausbleibenden Honorarforderungen aufgrund des Streikanspruchs statt. Dieses Urteil könnten wir der Politik vorhalten.“

Außerdem bilde die Standesvertretung die veränderten Strukturen nicht mehr ab. Die Ärzte hätten ein vergleichbares Konstrukt nicht: Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) seien getrennt. Mittlerweile seien sechs von sieben Kammermitgliedern angestellt – viele davon in Industrie, Verwaltung oder im Krankenhaus außerhalb öffentlicher Apotheken tätig. Manche Inhaber wiederum seien nicht Mitglied beim AVWL.

„Ihre Belange werden indirekt über den Kammeranteil von der Abda vertreten. Angestellte zahlen für wirtschaftliche Anliegen der Inhaber. Ist das gerecht oder sinnvoll?“, fragte Nolten.

Zudem seien trotz des Koalitionsvertrages im laufenden Jahr keine Erfolge durch die Abda erzielt worden. „Eine Diskussion über die grundlegende Ausrichtung dürfen wir nicht verschlafen“, erklärte er. Die Herausforderungen für den Berufsstand seien komplexer und die Anforderungen an die Interessensvertretung vielschichtiger geworden. „Eine moderne, schlagkräftige Organisation muss nicht nur der Vielfalt der Mitgliedschaft abbilden, sondern auch mit einer Stimme sprechen können, wenn es darauf ankommt“, betonte er.

Die Frage nach einer zeitgemäßen Struktur und Finanzierung der Abda sei daher nicht nur berechtigt, sondern zwingend erforderlich. Er wolle eine klare Trennung von BAK und DAV in Finanzen und Aufgaben sowie die Professionalisierung der Führungskräfte und der Verhandlungsführung mit den Krankenkassen.

Veränderung von innen Heraus

Nolten erntete allgemein Zustimmung zu seiner Begründung, nicht aber zu dem Antrag an sich – also dem Austritt.

„Ich bin da ganz bei dir, nur die Konsequenz daraus bedingt nicht den Antrag“, hieß es von einer Apothekerin in der Diskussion. Professionalisierung sei richtig, aus der Abda auszutreten dagegen falsch.

Es sei nicht der erste Antrag dieser Art; in der Vergangenheit seien solche Anträge immer abgeschmettert worden. Den neuen Zeitgeist erkenne man daran, dass es ernsthaft diskutiert werde, erklärte ein Apotheker. Die Frage sei, ob es sinnvoll sei, sich aktuell derart zu schwächen.

„Viele Dinge können wir alle unterschreiben in der Begründung. Das Problem ist: Wenn wir austreten, können wir gar nichts mehr verändern“, so Dr. Hannes Müller. Da Bundesapothekerkammer (BAK) und Deutscher Apothekerverband (DAV) keinen Haushalt hätten, würde man faktisch auch da herausfallen, weil man keinen Cent mehr zahle.

„Ich glaube, optimieren kann man besser aus dem System heraus als Mitglied. Wenn man austritt, ist man Spielverderber. Lieber sollte man als Mitglied an die Abda herantreten und besprechen, was man an der Struktur noch verändern kann.“

„Warum stellt man jetzt so einen Antrag und sagt nicht, wir wollen die Abda renovieren“, fragte Dr. Horst Otto Heidel. Die Kritik sei berechtigt, doch man müsse sich fragen, ob das nicht sinnvoller von innen heraus gehe. Vielleicht könne das auch ein Weckruf für andere Kammern sein.

„Aber wir müssen sicherlich stärker differenzieren und professionalisieren.“ Bisher sei das politische Gesicht der Apothekerschaft der Ehrenamtler und nicht der Geschäftsführer.

Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter führte aus: Für die Verwaltung sei die Vernetzung wichtig – in Berlin würden zentral für alle Mitgliedsorganisationen Dinge erarbeitet, die man sich bei einem Austritt alleine erarbeiten müsste. Auch aus dem Austausch entstünden Lösungen, erklärte er. „Wir schätzen das sehr und sind auch an vielen Stellen abhängig von der Zusammenarbeit.“

Mit einem Austritt wäre man auch aus der BAK heraus, gab er zu bedenken. Man solle all die Dinge, die Nolten in seiner Begründung einbringe, aufgreifen: „Die Abda darf gerne zum TÜV, aber ich möchte sie nicht direkt verschrotten“, erklärte ein weiterer Apotheker.

Dr. Philipp Schulte-Mecklenbeck merkte an, dass niemand bisher gesagt hatte, er sei mit der Arbeit der Abda zufrieden. Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening habe bereits vor Jahren Strukturreformen gestartet, die mit Sicherheit nicht so weit gingen, wie sie das damals gerne gehabt hätte, und da sei noch viel Luft nach oben. Diesen strukturierten Reformprozess anzustoßen und zu unterstützen sei das Schönste, was man machen könne.

„Die 34 Kammern und Verbände steigen nicht in den Bus, sondern in die Bahn und laufen Gefahr, alle gemeinsam zu spät anzukommen“, kommentierte Jürgen Jansen.

Arbeitsgruppe statt Austritt

Insgesamt herrschte Einigkeit, dass man eine Strukturreform wolle, aber nicht aus der Abda austreten wolle. Die Diskussion, die der Antrag angestoßen habe, sei richtig.

Mehrere Mitglieder erklärten, sie fänden es schade, wenn heute über diesen Antrag abgestimmt würde, denn dann müsste man ihn ablehnen. Stattdessen solle man einen konstruktiven Arbeitsauftrag mitnehmen.

„Wir waren eigentlich nie zufrieden, die Bestrebungen gab es schon sehr lange“, sagte Michael Beckmann. Blicke man ins politische Umfeld, könne man nicht noch einmal 15 Jahre Zeit für Reformen haben. Man solle den Antrag ändern, sich aber heute zu etwas verpflichten.

„Sinnvoll wäre doch, wir würden hier heute – ich hatte das auf den Listenvorgesprächen auch schon angeregt – einen Beschluss fassen, dass es in dieser Kammerversammlung eine Arbeitsgruppe gibt, die sich ernsthaft damit beschäftigt.“

Michael Mantell pflichtete bei, dass der erste Antrag zur Strukturreform der Abda vor 25 Jahren gestellt wurde. „Ich bin es langsam leid zu warten“, erklärte er. „Wir müssen diesen Weg jetzt gehen – wir haben keine Zeit mehr.“ Er sprach sich ebenfalls für den Arbeitskreis aus.

„Konsens im Raum ist, dass wir mit dem Ergebnis der Interessenvertretung nicht zufrieden sein können. Ich hielte es für wirklich fatal, sollten wir den Austritt tatsächlich so beschließen“, erklärte auch Dr. Christian Fehske. Es sei etwas Gutes, dass man eine Organisation habe, die mit der Politik spreche. Er warnte davor, die Geschlossenheit zu untergraben.

Doch Nolten erntete auch Kritik. So erklärte eine Apothekerin, sie finde den Antrag selbst polemisch und schlecht. Sie habe sich nicht vertreten gefühlt, als dieser Antrag durch die Presse gegangen sei. Sie würde den Antrag gerne ablehnen. Wenn man Forderungen aufstelle, müsse man auch irgendwann zu Konsequenzen bereit sein, merkte Schulte-Mecklenbeck an.

Nolten zog seinen Antrag erst einmal zurück, um, wie in der Diskussion angestoßen, etwas Konstruktives daraus zu erarbeiten.

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