Mehrheit der Patient:innen unterversorgt

Vitamin-D-Mangel befeuert Arthrose und Diabetes

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Berlin -

Patient:innen mit Arthrose und Menschen mit Prädiabetes haben mehrheitlich einen Vitamin-D-Mangel. Das belegen unterschiedliche Studien. „Vitamin D ist kein Allheilmittel. Von einer Substitution profitieren vor allem Menschen mit einem nachgewiesenen Mangel“, erklärt Professor Dr. Stefan Pilz, Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel.

Bei unterschiedlichsten Erkrankungen konnte belegt werden, dass betroffene Patient:innen unter einem Vitamin-D-Mangel litten. Beispielsweise weisen zwei Drittel der Arthrosepatient:innen einen zu niedrigen Spiegel im Blut auf. Mit der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und Arthrose gibt, beschäftigten sich unter anderem die Studien „Framingham Offspring Study (Zur Progression der Arthrose)“, „Boston Osteoarthritis of the Knee Study (BOKS)“ und eine Reihe von systematischen Übersichtsarbeiten (wie Wang et al., 2017).

Die Ergebnisse:

  • Erhöhtes Risiko für Fortschreiten: Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel (25(OH)D<15μg/L oder <37,5 nmol/L) ist mit einem mehr als doppelt so hohen Risiko für das Fortschreiten einer Kniearthrose (Gonarthrose) assoziiert.
  • Häufige Koinzidenz: Ein moderater Vitamin-D-Mangel kann bei älteren Menschen mit der Entwicklung oder Zunahme von Knie- oder Hüftschmerzen verbunden sein (Längsschnittstudien).

Kein Allheilmittel

Die Studienlage zur direkten therapeutischen Wirkung einer Supplementierung bei bereits bestehender Arthrose ist jedoch inkonsistent. „Vitamin D ist kein Allheilmittel. Es ist kein guter Ansatz, jeden pauschal zu substituieren“, betont auch Pilz. „Am meisten profitieren Menschen, die bereits einen Mangel aufweisen.“

Laut ihm ist die brennendste Frage, in welchen Fällen der Einsatz von Vitamin-D besonders sinnvoll sein kann: „Daten belegen, dass Patienten mit Asthma, COPD und Autoimmunerkrankungen von einer entsprechend dosierten Vitamin-D-Therapie sehr profitieren. Auch Frühformen der Multiplen Sklerose (MS) kann man mit einer Supplementierung am Fortschreiten hindern oder stark verzögern.“

„Sonst öffnet man die Büchse der Pandorra“

Warum dann immer noch keine konkreten Dosierungsanweisungen der entsprechenden Fachgesellschaften vorlägen, begründet Pilz wie folgt. „Meiner Meinung nach ist es die Sorge vor der Öffnung der Büchse der Pandorra. Denn wenn man für Vitamin D klar und deutlich bestimmt, wer wann wieviel einnehmen sollte, dann werden alle anderen Hersteller dasselbe für andere Supplemente einfordern.“

Dennoch sei er erfreut darpber, dass es von der Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie mittlerweile schon viel breitere Empfehlungen zur Vitamin-D-Einnahme gebe, „auch wenn noch ohne genaue Dosierung.“ Es müsse noch mehr Verknüpfungen mit den Fachgesellschaften und Neurologen geben. Immerhin ist die Datenlage zu Vitamin D seiner Meinung nach eindeutig.

Spiegel erhöhen vor Operationen

Im Hinblick auf Patient:innen, die sich auf eine Operation vorbereiten, rät Pilz: „Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel sollte mindestens zwei Monate vor der Kniegelenksoperation erreicht werden. Die Einnahme liegt dann bei bei 1000 bis 2000 IE täglich.“ Es habe sich herausgestellt, dass Menschen besser genesen, wenn sie präoperativ gut mit Vitamin D versorgt waren.

Auch für das Immunsystem ist Vitamin D laut Pilz ein „Riesenthema“. Es konnte in Studien sehr gut belegt werden, dass Menschen mit ausreichend Vitamin D ein niedrigeres Risiko haben an Atemwegsinfekten zu erkranken. Ein ausgeglichener Spiegel führte zu einer höheren Aktivität der Abwehrzellen.

Supplementierung ohne Blutuntersuchung

Pilz befürwortet eine empirische Supplementierung von Vitamin D. Das heißt: Eine Einnahme ohne vorherige Blutuntersuchung. „Basierend auf der klinischen Praxisleitlinie der Endocrine Society zur Vitamin-D-Supplementierung wird für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine solche Supplementierung empfohlen.“

Dies betreffe „in erster Linie Kinder im Alter von 1 bis 18 Jahren sowie Erwachsene über 75 Jahre, bei denen dadurch das Risiko für ernährungsbedingte Rachitis beziehungsweise das Sterblichkeitsrisiko gesenkt werden kann.“ Darüber hinaus werde die empirische Vitamin-D-Supplementierung auch für Schwangere und Personen mit Prädiabetes nahegelegt, um Komplikationen wie Präeklampsie oder das Fortschreiten zu Diabetes zu mindern.

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