Studie stellt Auffrischung in Frage

Tetanus und Diphtherie: Kein Booster mehr nötig?

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Berlin -

Ohne entsprechende Immunisierung können Tetanus und Diphterie tödlich enden. Eine aktuelle Übersichtsarbeit könnte die bisher gängige Impfpraxis in Frage stellen und eine routinemäßige Auffrischung alle zehn Jahre unnötig werden lassen. Denn laut den Forschenden reicht eine Erstimmunisierung im Kindesalter aus.

Die Übersichtsarbeit mit dem Titel „Lessons learned from successful implementation of tetanus and diphtheria vaccination programs“wurde im FachmagazinClinical Microbiology Reviews veröffentlicht. Erstautor Mark Slifka, Abteilung für Neurowissenschaften an der Oregon Health & Science University in den USA und sein Team stellen anhand der Ergebnisse die bisher gängige Impf-Praxis infrage. Denn sie konnten feststellen, dass routinemäßigen Tetanus- und Diphtherie-Booster im Erwachsenenalter möglicherweise gar nicht nötig seien.

Aktuell raten Fachgesellschaften oder Impfkommissionen Erwachsenen, ihre Tetanus- und Diphtherieimpfungen alle zehn Jahre aufzufrischen. Slifka fordert jedoch, dies zu überdenken. Denn: „Nach Abschluss der Kindervakzinierungsserie könnten dezennale Booster-Impfungen im allgemeinen Bevölkerungsbereich möglicherweise nicht mehr notwendig sein, um einen schützenden Immunstatus aufrechtzuerhalten.“

Hohe Kosten sparen

Darüber hinaus würde eine Aktualisierung des aktuellen Impfprogramms nicht nur die US-Empfehlungen mit den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Einklang bringen, sondern auch das Risiko-Nutzen-Verhältnis für die Impfung weiter verbessern. Mehr noch: Gleichzeitig könnten bis zu 1 Milliarde Dollar jährlich im Gesundheitswesen eingespart werden. „Vorausgesetzt, die Grundimmunisierung im Kindesalter wird vollständig durchgeführt und die Impfstoffe stehen bei Risikopatienten weiterhin zur Verfügung“, so Slifka.

Im Rahmen der Analyse, verglichen die Forschenden jährliche Inzidenzen und Durchimpfungsraten in den USA und Europa. Das Fazit: Diphtherie trat nur bei rund einem Fall pro Milliarde Personenjahren auf. Vergleichbare Inzidenzen kämen aus Europa. „Diese seltenen Todesfälle sind kein Zeichen dafür, dass die Impfstoffe versagt haben“, erklären die Autoren. „Sie sind vielmehr das Ergebnis fehlender Immunisierung bei einzelnen Personen.“

Booster macht keinen Unterschied

Wenn man die Vergleiche innerhalb Europas genauer betrachte, falle auf, dass Großbritannien und Frankreich Durchimpfungsraten zwischen 94 und 96 Prozent erreichen. Der Unterschied zu Deutschland: Großbritannien führt keine Programme mit Auffrischimpfungen für Erwachsene durch. In Frankreich wird seit dem Jahr 2014 nur noch Menschen über 65 Jahren die regelmäßige Boosterung empfohlen. Jüngere Erwachsene sollen sich im Abstand von 20 Jahren impfen lassen. Die Krankheitslast ist in beiden Ländern extrem niedrig. Auch eine Analyse aus 30 Industrienationen bestätigt: Für die Inzidenzen macht es keinen messbaren Unterschied, ob Erwachsene regelmäßig geboostert werden oder nicht.

Die WHO zog schon 2017 die generelle Empfehlung für regelmäßige Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie im Erwachsenenalter zurück. „Eine komplette Immunisierung im Kindesalter vorausgesetzt, hält der Schutz ein Leben lang an“, erklärte damals die WHO.

Wer braucht doch den Booster?

Schwangeren wird zum Schutz von Neugeborenen von der WHO generell ein Kombinationspräparat gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten empfohlen. Auch für Menschen, die Länder mit hoher Diphtherie-Inzidenz bereisen wollen, werden Auffrischungen empfohlen. Bei Verletzungen mit erhöhtem Tetanus-Risiko sollte ebenso geboostert werden. Für Menschen mit unvollständigem Impfschutz oder unklarer Impfgeschichte bleibt es ebenfalls bei der Empfehlung zur Auffrischung.

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