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Semaglutid: Abnehmspritze mit Anti-Aging-Effekt?

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Berlin -

Semaglutid wird längst nicht mehr nur mit Gewichtsreduktion in Verbindung gebracht. Nun berichten Forschende aus den USA über Hinweise auf eine verlangsamte epigenetische Alterung – ein möglicher weiterer Baustein im therapeutischen Potenzial des Wirkstoffs. Aber: Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen.

Semaglutid rückt zunehmend in den Fokus der Altersforschung: Übergewicht, Stoffwechselstörungen und chronische Entzündungen können den Alterungsprozess nachweislich beschleunigen, und der GLP-1-Rezeptoragonist ist in der Lage, genau diese Faktoren positiv zu beeinflussen. Ein interdisziplinäres Team unter Federführung der University of California San Diego hat diese Hypothese untersucht – gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus mehreren US-Bundesstaaten.

Testung über 32 Wochen

Für die Untersuchung wurden gezielt HIV-Patienten mit Lipohypertrophie ausgewählt – einer krankhaften Zunahme von viszeralem Fettgewebe trotz erfolgreicher antiretroviraler Therapie. Dieses Krankheitsbild ist oft mit chronischen Entzündungen und Stoffwechselstörungen verbunden und zeigt typische Merkmale beschleunigten biologischen Alterns, weshalb es sich laut des Forschungsteams insbesondere für die Prüfung altersmodulierender Therapien eignet.

Die Studie wurde doppelblind, randomisiert und placebokontrolliert durchgeführt. Eingeschlossen wurden 108 HIV-positive Erwachsene ohne Diabetes oder bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankung, aber mit erhöhtem Körpergewicht und zentraler Fettverteilung. Über 32 Wochen erhielten sie wöchentlich entweder 1 Milligramm Semaglutid oder ein Placebo – jeweils subkutan unter medizinischer Aufsicht.

Semaglutid verlangsamt epigenetisches Altern

Von 84 Teilnehmenden lagen zu Studienbeginn und -ende Blutproben vor, in denen das Team DNA-Methylierungsmuster in Immunzellen analysierte. 17 sogenannte epigenetische Uhren wurden ausgewertet – molekulare Marker, die anhand chemischer Veränderungen im Erbgut Rückschlüsse auf biologisches Alter und Alterungsgeschwindigkeit einzelner Organe erlauben.

Die Auswertung zeigte, dass die biologische Alterung in der Semaglutid-Gruppe deutlich langsamer verlief als in der Placebogruppe. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei einem Modell zur Alterungsgeschwindigkeit, dessen Wert im Durchschnitt um neun Prozent reduziert war. Eine andere Uhr, die mit dem Sterblichkeitsrisiko korreliert, zeigte einen um über drei Jahre geringeren Altersanstieg. Weitere Uhren wiesen eine Abnahme des biologischen Alters um zwei bis fünf Jahre auf. Die deutlichsten Effekte betrafen epigenetische Marker für Entzündung, Gehirn und Herz.

Wirkung geht über Gewichtsverlust hinaus

Die Forschenden betonen, dass diese Veränderungen nicht allein durch den beobachteten Gewichtsverlust erklärbar seien. Vielmehr spreche die Datenlage für „antiinflammatorische und metabolisch reprogrammierende Wirkmechanismen“. Sie betonen: „Diese Studie liefert nach unserem Wissen den ersten klinischen Beleg dafür, dass ein GLP-1-Rezeptoragonist validierte epigenetische Marker des Alterns beeinflussen kann.“

Darüber hinaus kann Fettgewebe laut den Wissenschaftlern ein sogenanntes epigenetisches Gedächtnis entwickeln, das selbst nach Gewichtsverlust bestehen bleibt – und möglicherweise durch Semaglutid positiv beeinflusst wird.

Allerdings sind die Ergebnisse noch mit Vorsicht zu genießen: Die epigenetische Auswertung wurde nachträglich auf Basis einer bereits abgeschlossenen Studie vorgenommen. Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass größere und längerfristige Untersuchungen notwendig sind, um die Aussagekraft ihrer Ergebnisse zu bestätigen. Zudem handelt es sich um eine Vorveröffentlichung.

Die Studie mit dem Titel „Semaglutide Slows Epigenetic Aging in People with HIV-associated Lipohypertrophy: Evidence from a Randomized Controlled Trial“ kürzlich als Preprint auf der Plattform medRxiv veröffentlicht.

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