Die deutschen Europaabgeordneten Peter Liese (CDU) und Katarina Barley (SPD) drängen auf lockerere Zulassungsvorschriften bei Verhütungsmitteln für Männer. Eine „Pille für den Mann“ könne viele Probleme lösen, so der Politiker und die Politikerin. In einem Brief an die Chefin der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), Emer Cooke, fordern sie, dass die EMA in dieser Frage aktiv werde.
„Wir fordern die EMA nachdrücklich auf, in diesem Bereich eine Führungsrolle zu übernehmen“, heißt es in dem Brief. Es müssten neue Leitlinien auf Grundlage von Gleichberechtigung entwickelt werden, um die Zulassung neuartiger Verhütungsmittel für Männer zu unterstützen. Unter dem Begriff Pille für den Mann werden verschiedene Mittel verstanden, deren Ziel es ist, die Spermienbildung stark zu senken.
„Wissenschaftler haben seit vielen Jahren Konzepte entwickelt, und es gibt auch interessierte Firmen, die solche Methoden gerne auf den Markt bringen würden. In der Regel handelt es sich nicht um Tabletten oder Pillen, sondern um Präparate, die als Gel aufgetragen werden. Der Durchbruch ist unter anderem deshalb nicht gelungen, weil die Regeln der Arzneimittelzulassungsbehörden weltweit ein Hindernis darstellen“, so Liese.
Liese kritisiert, Zulassungsbehörden achteten bei Präparaten für Männer deutlich stärker auf Nebenwirkungen als bei Mitteln für Frauen. In der Vergangenheit wurden unter anderem Studien abgebrochen, weil Männer über zu starke Nebenwirkungen klagten. So kam es beispielsweise zu Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen. „Selbstverständlich können auch Präparate für den Mann Nebenwirkungen haben. Nach meiner Einschätzung werden sie allerdings in vielen Fällen milder aus als bei den herkömmlichen Methoden für Frauen. Letztlich sollte diese Entscheidung den Paaren überlassen werden.“
Liese, der auch Arzt ist, und Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments, betonen, dass Präparate, die dem Mann verabreicht werden, eine große Hilfe sein könnten. „Zulassungsbehörden gehen aber bisher davon aus, dass der Mann keinen direkten medizinischen Nutzen von solchen Präparaten hat und dass deshalb nur Präparate mit null Nebenwirkungen zugelassen werden können. In einer modernen Partnerschaft sollte es aber so sein, dass beide Partner Verantwortung übernehmen. Dies muss die Regulierung auch berücksichtigen“, betont Liese.
Derzeit gibt es für Männer vorrangig zwei sichere Möglichkeiten: Kondom oder Vasektomie – also ein chirurgischer Eingriff, bei dem der Samenleiter durchtrennt wird.
„Immer noch tragen Frauen die Hauptverantwortung für Empfängnisverhütung. Dabei gibt es längst vielversprechende Ansätze für sichere und nebenwirkungsarme Präparate für Männer. Veraltete und unfaire Zulassungsverfahren verhindern jedoch, dass diese auf den Markt kommen. Es ist nicht gerecht, dass für Männer nur Präparate ohne Nebenwirkungen zugelassen werden während Frauen erhebliche körperliche und psychische Nebenwirkungen der Verhütung ertragen. Zudem wollen Männer Verantwortung übernehmen, das zeigen Studien. Wir brauchen Zulassungsrichtlinien, die partnerschaftliche Verantwortung ermöglichen und Innovation zulassen“, ergänzt Barley.
„Die Europäische Arzneimittelagentur hat jetzt die Chance, hier echte Gleichstellung zu fördern und den Weg für moderne, faire Verhütungsmethoden zu ebnen. Zudem würde das ein starkes Signal setzen: für faire Chancen, für Partnerschaft auf Augenhöhe und für echten Fortschritt in der Gesundheitsforschung. Europa kann und sollte hier eine führende Rolle übernehmen“, so Vizepräsidentin Barley abschließend.
Die EMA teilte auf Anfrage mit, man unterstütze Entwickler bei der Förderung neuer Therapien, darunter auch Verhütungsmittel für Männer. Die aktuellen Vorschriften enthielten keine Bestimmungen, die die Entwicklung von Verhütungsmitteln für Männer behindern, hieß es.
In den vergangenen 20 Jahren hätten sich alle Anträge auf wissenschaftliche Beratung durch die EMA ausschließlich auf die Entwicklung von Verhütungsmitteln für Frauen konzentriert. „Wir möchten jedoch betonen, dass unsere Türen offen bleiben“, so die EMA. Man unterstütze Entwickler gerne bei regulatorischen Fragen.
APOTHEKE ADHOC Debatte