Arzneimittelbegriff

Pharmakologie vor dem EuGH

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Wie der Begriff der „pharmakologischen Wirkung“ auszulegen ist, darüber machen sich derzeit nicht Wissenschaftler, sondern Richter Gedanken. Nach jahrelangem Rechtsstreit und widersprüchlichen Urteilen muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden, ob Wirkstoffe mit den Zellen des Anwenders in Wechselwirkung treten müssen, damit von einem pharmakologischen Effekt und letztendlich von einem Arzneimittel gesprochen werden kann.

Im konkreten Fall geht es um die Einordnung Chlorhexidin-haltiger Produkte: Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) hatte im Jahr 2007 gegen den Wettbewerber Sunstar geklagt, weil dieser die Mundspülung „Paroex“ als Kosmetikum an Zahnarztpraxen verkauft. Weil das Produkt 0,12 Prozent Chlorhexidin enthält, ist es aus Sicht des Konkurrenten aber ein Arzneimittel. GSK selbst vertreibt sein Produkt „Chlorhexamed“ als apothekenpflichtiges Medikament.

Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hat den Fall dem EuGH vorgelegt, weil der Begriff „pharmakologische Wirkung“ in den EG-Richtlinien nicht ausreichend definiert sei - und sich damit die rechtliche Einordnung schwierig gestaltet.

Das OLG hatte der Sunstar-Mundspülung diese Wirkung abgesprochen, weil deren Moleküle nicht in Wechselwirkung mit den zellulären Bestandteilen des Anwenders treten. Auch der Argumentation der GSK-Anwälte, dass Paroex zumindest als Präsentationsarzneimittel anzusehen ist, waren die Richter nicht gefolgt.


Im Berufungsverfahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch GSK recht gegeben: Paroex wirke pharmakologisch, weil es eine Wechselwirkung zwischen Chlorhexidin und den Speichelbakterien des Anwenders gebe. Um zum Bereich der „pharmakologischen Wirkung“ zu gehören, könne die Substanz auch mit Zellen in Wechselwirkung treten, die außerhalb des menschlichen Körpers liegen, argumentierten die Richter und verwiesen den Fall zurück nach Frankfurt.

Der EuGH soll im Vorlageverfahren klären, ob eine direkte Interaktion von Arzneistoffen mit den Zellen des Anwenders Grundlage für eine pharmakologische Wirkung ist. Alternativ soll der EuGH eine andere Definition liefern.

Wenn Paroex eine pharmakologische Wirkung zugesprochen wird, müsste
Sunstar beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukten
(BfArM) eine Zulassung als Arzneimittel beantragen. Die so erzwungene Auszeit für Paroex könnte GSK nutzen, um sich mit Chlorhexamed in den Praxen zu etablieren.

Das Urteil wird aber nicht nur bei den Parteien mit Spannung erwartet: „Das ist eine wichtige und bislang unbeantwortete Fragestellung“, so eine
Sprecherin des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH). „In
Zukunft könnten dann alle möglichen Abgrenzungsfragen, auch zwischen
Arzneimitteln und Medizinprodukten, mit dem EuGH-Urteil entschieden
werden.“ Mit einer Entscheidung wird nicht vor nächstem Jahr
gerechnet.

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