Metformin wird oft als erste Wahl bei der medikamentösen Behandlung von Typ-2-Diabetes, insbesondere bei übergewichtigen Patienten, verschrieben. Eine neue Langzeitstudie mit Prädiabetiker:innen zeigt, dass sowohl eine intensive Lebensstiländerung als auch die Einnahme des Medikaments das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, deutlich senken können.
Wird ein Prädiabetes diagnostiziert, stehen die Chancen gut, denn die Stoffwechselentgleisung ist häufig reversibel. Maßgeblich sind eine Lebensstiländerung oder auch der frühe Einsatz von Metformin, wie die neue US-Langzeitstudie „Diabetes Prevention Program (DPP)“ mit über 3000 Teilnehmer:innen belegt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ veröffentlicht.
Ein Typ-2-Diabetes könnte demnach bei Menschen mit Prädiabetes um bis zu 3,5 Jahre verzögert auftreten. Insbesondere jüngere Menschen sowie Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko sollen von den Maßnahmen laut den Forschenden profitieren. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK) betonen die Notwendigkeit, eine gezielte Prävention zur nationalen Gesundheitspriorität zu machen. Die Forderung: Es brauche politische Maßnahmen, um verhaltens- und verhältnispräventive Strategien strukturell zu verankern.
Die Studie zeige deutlich: Vorbeugung wirkt – und zwar unterschiedlich stark, je nach Alter, Risikofaktoren und Geschlecht. Insbesondere Frauen mit vorherigem Schwangerschaftsdiabetes profitieren nachweislich von strukturierten Programmen zur Lebensstiländerung. Diese können nicht nur den Ausbruch von Diabetes hinauszögern, sondern auch die Lebensqualität langfristig verbessern. Außerdem traten bei diesen Frauen seltener Folgeerkrankungen wie Augen- oder Nierenschäden auf.
„Wir brauchen Programme, die individuelle Lebensrealitäten und Belastungen mitdenken – etwa von Frauen in Familienverantwortung. Nur so gelingt Prävention dort, wo sie am meisten bewirken kann. Erste gesundheitsökonomische Analysen deuten zudem auf ein langfristig günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis hin“, bilanziert Dr. Julia Szendrödi, Präsidentin der DDG und ärztliche Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Stoffwechselkrankheiten und Klinische Chemie am Universitätsklinikum Heidelberg.
Die Studie hat folgende Ergebnisse gezeigt:
Zur individuellen Wirksamkeit ließ sich feststellen: Lebensstilprogramme wirken in allen Altersgruppen. Metformin zeigte den größten Effekt bei Personen im Alter von 25 bis 44 Jahren.
„Die Ergebnisse zeigen, dass frühe und risikoadaptierte Präventionsmaßnahmen das Fortschreiten zum Typ-2-Diabetes verzögern können – ein wichtiger Baustein im Umgang mit der zunehmenden Krankheitslast. Metformin ist zurzeit nicht zur Behandlung des Prädiabetes zugelassen – eine Neubewertung erscheint jedoch angesichts der Evidenz sinnvoll“, betont Szendrödi.
Der Bedarf an strukturierten Präventionsprogrammen wachse rasant. „Immer mehr Menschen erkranken früher, leben mit mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig – ein Phänomen, das die Fachwelt als multimorbides Zeitalter beschreibt“, erklärt die Expertin. Ursächlich seien ein steigendes Lebensalter, zunehmende soziale Ungleichheiten und ein immer früherer Krankheitsbeginn. „Wir müssen diese Entwicklung ernst nehmen und handeln, bevor die Gesellschaft von der steigenden Krankheitslast überwältigt wird“, mahnt Szendrödi.
„Steigt die Zahl chronischer Erkrankungen weiter, geraten Gesundheitssysteme zunehmend an ihre Grenzen.“ Ohne strukturierte Prävention wird Typ-2-Diabetes nach Meinung der Expertin voraussichtlich früher auftreten und vermehrt mit weiteren Erkrankungen einhergehen. DDG und DANK leiten daraus einen klarer Handlungsauftrag für die politischen Entscheider ab: Prävention müsse früher ansetzen, es brauche klare politische Rahmenbedingungen, die ein gesundheitsförderndes Umfeld für alle Menschen in Deutschland schaffen. „Wir wissen, was wirkt – nun braucht es auch den politischen Willen, Prävention allen zugänglich zu machen“, fordert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG und Sprecherin der DANK. „Gesundheitsförderung darf nicht vom Wohnort oder Einkommen abhängen. Prävention ist keine Privatsache – sie ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“
Die DANK hat einen 6-Punkte-Plan vorgelegt, der Prävention wirksam und für alle zugänglich machen soll. Er umfasst unter anderem:
„Wir brauchen jetzt eine gesundheitsfördernde Infrastruktur“, betont Bitzer. „Gesund essen, sich ausreichend bewegen und Erkrankungen vorbeugen – das muss in Deutschland einfacher werden.“
APOTHEKE ADHOC Debatte