An Mundhöhlenkrebs erkranken in Deutschland laut aktueller Zahlen des Robert Koch-Institutes (RKI) rund 13.000 Menschen jährlich neu. Jetzt zeigt eine internationale Studie, dass Pembrolizumab neue Heilungschancen eröffnen könnte. Der Wirkstoff ist seit kurzem für die Therapie lokal begrenzter Tumoren in der Mundhöhle zugelassen und wird kassenseitig übernommen.
Mundhöhlenkrebs äußert sich häufig durch anhaltende Schleimhautveränderungen wie weiße oder rote Flecken. Diese Anzeichen sollten laut der Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)besonders ernst genommen werden. Insbesondere dann, wenn sie länger als zwei Wochen bestehen und nicht selbstständig abheilen.
„Je früher ein Tumor erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Im Frühstadium lässt sich Mundhöhlenkrebs durch eine Operation oft vollständig entfernen, mit einer Überlebensrate von mehr als 90 Prozent“, betont Professor Dr. Dr. Urs Müller-Richter, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Kopf- und Halschirurgie am Universitätsklinikum Würzburg. „Mit zunehmendem Tumorstadium wird die Therapie jedoch komplexer, und die Risiken eines Rückfalls oder einer Metastasierung steigen.“
Bislang war der monoklonale AntikörperPembrolizumab in Deutschland primär für vorbehandelte Patient:innen oder solche in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium zugelassen. „Der Einsatz von Pembrolizumab war somit für unsere Mundhöhlenkrebspatienten vor allem eine Option in palliativen Situationen“, erklärt Müller-Richter.
Dies verändere die neue wissenschaftliche Einordnung nun grundlegend. Die aktuelle Studie, „Keynote-689“ untersuchte die Gabe von Pembrolizumab zur Standardtherapie (Operation und Bestrahlung) bei lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom. Das Ergebnis: Die Zahl der Rückfälle minimierte sich unter der Zusatzbehandlung.
Mit der neuen positiven Nutzenbewertung der deutschen Arzneimittelbehörde von Ende Oktober ist Pembrolizumab nun auch für die Behandlung von lokal fortgeschrittenem, aber noch heilbarem Kopf-Hals-Karzinom – einschließlich Mundhöhlenkrebs – zugelassen. „Die Therapie beginnt bereits vor der Operation und wird bis etwa sechs Monate nach der Strahlentherapie fortgeführt“, erklärt Müller-Richter.
Nicht zugelassen ist Pembrolizumab hingegen für sehr frühe Tumorstadien. „Was jetzt neu ist, ist, dass wir in der heilbaren Situation eine zusätzliche Möglichkeit bekommen, unseren Patienten besser zu helfen“, betont Müller-Richter. Damit sei der Wirkstoff eine zusätzliche Option, die aber eine echte Therapiechance biete. „Als DGMKG und besonders in den zertifizierten Kopf-Hals-Tumorzentren werden wir diese Therapie gemeinsam mit allen beteiligten Fachdisziplinen anbieten.“
Die neu zugelassene Indikation für Pembrolizumab wird von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die Behandlung sei „vergleichsweise gut verträglich“, wenn auch immunvermittelte Nebenwirkungen auftreten könnten. Dazu zählen entzündliche Reaktionen der Lunge, Schilddrüse oder anderer Organe – ähnlich wie bei Autoimmunerkrankungen.
„Das klingt zunächst bedrohlich, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle können diese Nebenwirkungen sehr gut mit Kortison behandelt werden, sodass die Tumortherapie anschließend fortgeführt werden kann“, schildert Müller-Richter weiter.
Insgesamt zeigen Studien, dass Pembrolizumab „deutlich besser verträglich“ sei als herkömmliche platinbasierte Chemotherapien. Die DGMKG erkenne in der neuen Therapieoption einen wichtigen Fortschritt in der Behandlung des Mundhöhlenkarzinoms. „Sie stärkt die interdisziplinäre Versorgung in den zertifizierten Kopf-Hals-Tumorzentren hierzulande und eröffnet Patienten mit fortgeschrittenen, aber noch heilbaren Tumoren eine realistische Chance auf langfristige Tumorkontrolle und Heilung“, betont Müller-Richter abschließend.
Die Studie mit dem Titel „Keynote-689“ ist in diesem Jahr im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht worden.
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