Kontrazeptiva

TK kritisiert Lifestyle-Pillen

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Berlin -

Aida, Belara, Chariva, Jennifer, oder LaLydia: Die Pillen haben klingende Namen und bunte Packungen. Die Techniker Krankenkasse und ihr Pharmaexperte Professor Dr. Gerd Glaeske finden, dass die Hersteller zu weit gehen: Kontrazeptiva seien keine Lifestyle-Produkte, sondern hätten schwerwiegende Nebenwirkungen.

Laut TK-Chef Dr. Jens Baas haben sich die Hersteller gezielt auf die Lifestyle-Schiene begeben. Patientinnen zeigten eine hohe Präparatetreue und nähmen die Pille, die sie im Teenageralter verschrieben bekommen hätten, oft jahrzehntelang. Daher umwerben laut Baas die Pharmafirmen die jungen Frauen, beispielsweise mit Informationsseiten im Internet, die neben der Empfängnisverhütung auch Beauty- und Lifestyle-Themen aufgriffen. Der Konzern dahinter sei für die Mädchen oft nur schwer erkennbar.

Laut Glaeske werden bunte Verpackungen und Marken wie Yasmin gezielt eingesetzt, um jüngere Frauen anzusprechen. Da die Pille bis zur Vollendung des 20. Lebensjahrs erstattungsfähig sei, sei dies ein weiterer gewinnbringender Ansatz, so der Autor des „Pillenreports“ der TK. Auch mit Kanälen wie Facebook oder YouTube hätten sich die Hersteller inzwischen ihrer Zielgruppe angenähert.

Hinzu komme, dass besonders Präparate der vierten Generation in den vergangenen Jahren mit Versprechungen wie etwa reinerer Haut vermarktet würden, kritisierte Co-Autorin Professor Dr. Petra Thürmann vom Philipp-Klee-Institut für klinische Pharmakologie. Pillen würden inzwischen gezielt in diese Richtung weiterentwickelt, „um bestimmten Schönheitsidealen näherzukommen und zu einem Lifestyle-Präparat“ zu werden. Dabei sei das Thromboserisiko bei den Pillen der dritten und vierten Generation teilweise doppelt so hoch.

Im Report soll deutlich werden, dass alle Pillen ihre Funktion der Empfängnisverhütung bestens erfüllen. Nur die Risiken unterschieden sich erheblich, genauso wie die Anzahl der Verschreibungen. Neben dem Marketing der Firmen sei dafür auch eine zu geringe Aufklärung der Frauenärzte der Grund, so die Aussage des Reports.

„Derzeit sehen wir die Informationshoheit eindeutig bei der pharmazeutischen Industrie und engagieren uns deswegen dafür, dass sich junge Frauen besser über Risiken und Nebenwirkungen informieren“, sagte Baas. Die TK hat auf ihrer Internetseite Fakten zu den verschiedenen Präparaten zusammengestellt. Mit einem „Aufklärungsvideo“, in dem junge Frauen ihre Erfahrungen schildern, soll ebenfalls auf die Risiken aufmerksam gemacht werden.

Laut Baas soll der „Pillenreport“ aber auch die Ärzte wachrütteln. Es bestehe Grund zur Sorge, dass die Arzneimittel zu leichtfertig verschrieben würden. Die empfängnisverhütende Wirkung dürfe nicht zum nebensächlichen Aspekt werden, so der TK-Chef.

„Letztendlich sind hier verantwortungsbewusste Ärztinnen und Ärzte und deren Fachgesellschaften gefordert, in ihren Leitlinien Stellung zu beziehen“, so Thürmann. Frauenärzte informierten sich eher auf einfachem Wege über die verschiedenen Kontrazeptiva – das seien dann „eher die Werbungen in Fachzeitschriften als eine wissenschaftliche Studie in einem Fachjournal, vielleicht auch noch auf Englisch“.

Laut Glaeske gibt es keinen Grund, die Pillen der neueren Generationen zu verschreiben – wenn man vom Beauty-Aspekt absehe. Die Kontrazeptiva der älteren Generation würden gut vertragen. Allerdings lasse sich mit neueren Präparaten mehr Geld verdienen als mit den älteren, deren Patent oft schon ausgelaufen sei.

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