Mit der neuen S3-Leitlinie „Fiebermanagement“ gibt es erstmals ein klar abgestimmtes und wissenschaftlich fundiertes Konzept zum Umgang mit Fieber bei Kindern und Jugendlichen. Dazu gehört auch eine Elternleitlinie, die Familien praktische Orientierung im Alltag bietet. Im Mittelpunkt steht die Botschaft: Fieber ist meist eine normale Abwehrreaktion und kein Notfall.
Die neue S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) richtet sich an Fachkräfte im ambulanten Bereich sowie an Eltern und Bezugspersonen. „Die neue Leitlinie betont ein grundlegend verändertes Verständnis von Fieber: Es wird nicht als vorrangig behandlungsbedürftiges Symptom betrachtet, sondern als physiologische und in der Regel hilfreiche Abwehrreaktion des Körpers“, erklärt Professor Dr. Tim Niehues, Leitlinienbeauftragter der DGKJ.
Familien sollen frühzeitig informiert werden, idealerweise bereits bei der ersten Impfung, und zusätzlich verständliche Materialien wie die Elternleitlinie erhalten.
Die Leitlinie definiert Fieber ab 38,5 °C, bei Säuglingen unter drei Monaten bereits ab 38 °C rektal. In dieser Altersgruppe sollte jede Temperatur ab 38 °C ärztlich abgeklärt werden, da auch leichte Erhöhungen auf eine bakterielle Infektion hindeuten können. Eine Urinuntersuchung wird bei Säuglingen unter drei Monaten mit Fieber empfohlen.
Die Leitlinie empfiehlt das folgende, nach Alter gestufte Vorgehen zur Temperaturmessung als altersgerecht:
Bei der Beurteilung des Fiebers steht laut Leitlinienkoordinator Professor Dr. David Martin nicht die Temperatur allein im Vordergrund. „Entscheidend für die Einschätzung eines fiebernden Kindes sind nicht allein Temperaturwerte, sondern vor allem der Allgemeinzustand und spezifische Warnzeichen.“ Zu diesen Warnzeichen gehören Bewusstseinsstörungen, schrilles Schreien, Hauteinblutungen, Austrocknung oder auffällige Atemprobleme.
Fieber sollte nur gesenkt werden, wenn das Kind darunter leidet. „Fiebersenkende Medikamente verhindern keine Fieberkrämpfe und sollen nicht prophylaktisch – etwa bei Impfungen – gegeben werden“, betont Niehues. Kommen Paracetamol oder Ibuprofen zum Einsatz, erfolgt dies streng nach Gewicht, Alter und nur für die notwendige Dauer. Die Leitlinie weist ausdrücklich auf eine Ausnahme der Ständigen Impfkommission (Stiko) hin: Seit dem 18. Januar 2024 empfiehlt die Stiko, Kindern unter zwei Jahren bei der Meningokokken‑B‑Impfung prophylaktisch Paracetamol zu geben, da der Impfstoff häufig Fieber auslöst.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Ruhe, Schlaf, Nähe und eine an den Wärmebedarf des Kindes angepasste Umgebungstemperatur sollten im Vordergrund stehen. Wadenwickel sind nur bei warmen Händen und Füßen sowie subjektivem Unwohlsein sinnvoll und sollen körperwarm sein.
Die Leitlinie unterstreicht zudem den zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika. Fieber allein sei hier keine Indikation, denn die meisten fieberhaften Infekte bei Kindern sind viral bedingt. Eine unnötige Antibiotikagabe kann Resistenzentwicklungen, Nebenwirkungen und eine Schädigung des Mikrobioms fördern.
Kinder sollten zudem mindestens einen vollen Tag fieberfrei und wieder belastbar sein, bevor sie in Kita oder Schule zurückkehren. „Wir möchten Eltern mit dieser Leitlinie zum einen ermutigen, dem natürlichen Heilungsprozess zu vertrauen und gleichzeitig sehr gut informiert und vorbereitet zu sein, ab wann ärztlicher Rat wichtig ist“, fasst Martin zusammen.
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