In den sozialen Medien wird aktuell ein aufgemaltes „Jodgitter“ als Trend gehyped. Mithilfe von Jodsalbe oder Lugol’scher Lösung soll das aufgemalte Gitternetz den Körper bei seiner Heilung unterstützen und verschiedenste Beschwerden wie Halsschmerzen, Erkältungen oder Gelenkentzündungen lindern. Eine bedenkliche Empfehlung: Allergische Reaktionen und negative Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion können die Folge sein.
Um ein heilendes Jodgitter, auch Jodnetz genannt, zu erzeugen, wird mit Jodsalbe oder Lugol´scher Lösung ein Gittermuster auf die zu behandelnde Hautstelle aufgetragen. Die Lugol’sche Lösung enthält Kaliumjodid und elementares Jod.
Laut den Social-Media-Tipps sollten die horizontalen und vertikalen Linien so auf die Haut gemalt werden, dass die Kästchen etwa einen Zentimeter groß sind. Dann könne „das Jod die Haut durchdringen und dort die Faltung von Bakterienproteinen beeinträchtigen“, so die Inluencer:innen. Durch eine anschließende Koagulation lösen sich Zellen voneinander ab, und das Bakterium versterbe. Zusätzlich soll die Gitterform bestimmte Akupunkturpunkte ansprechen. So würde dann ein Jodgitter im Halsbereich gegen Halsschmerzen oder am Brustkorb gegen einen trockenen Husten helfen, indem es den Entzündungsprozess lokalisiert, heißt es auf vielen Kanälen.
Im Internet finden sich auch Anleitungen für einen fragwürdigen Selbsttest zur Identifizierung von Jod-Mangel. Demnach soll ein verblasstes Jodgitter zwölf Stunden nach dem Auftragen auf eine Unterversorgung hinweisen. Auch die „Empfehlung“, die Lugol’sche Lösung innerlich anzuwenden, ist im Internet weit verbreitet. Sie soll als natürlicher Ersatz für Jod-Supplemente dienen. In einschlägigen Foren wird der Hochdosis-Jodtherapie mitunter sogar ein zusätzlicher gesundheitlicher Nutzen zugeschrieben.
Die Expert:innen des „Arbeitskreis Jodmangel“ warnen jedoch explizit vor einer eigenmächtigen oralen Einnahme und stellen klar: „Hohe Dosen Jod bringen keinen gesundheitlichen Vorteil. Eine starke Überdosierung kann im Gegenteil sogar zu einer massiven Funktionsstörung der Schilddrüse führen. Auch eine Beeinflussung der Schilddrüsenhormonsynthese ist möglich.“
Zudem betonen sie: „Die Lugol’sche Lösung ist weder als Nahrungsergänzung noch als Medikament zugelassen. Sie ist ausschließlich zur äußeren Anwendung als Antiseptikum oder Desinfektionsmittel bestimmt. Und das ebenfalls nur in Ausnahmefällen, da Jod auch über die Haut aufgenommen werden kann.“
Bei Patient:innen mit bestehenden Schilddrüsenproblemen – etwa einer autoimmunbedingten Hashimoto-Thyreoiditis – kann die Einnahme hoher Joddosen schwerwiegende Konsequenzen haben. Eine unkontrollierte Hochdosisgabe kann etwa in einer manifesten Überfunktion (Hyperthyreose) münden.
Die topische Anwendung von Jod ist medizinisch gut etabliert, etwa in Form von Povidon-Jod zur Desinfektion infizierter Wunden oder als Antiseptikum vor Operationen. Doch selbst äußerlich angewendetes Jod kann unter bestimmten Umständen systemisch aufgenommen werden und die Schilddrüsenfunktion beeinflussen. Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen oder Kontaktdermatitis sind möglich. Bei längerer Anwendung kann es zudem zu lokalen Beschwerden wie Brennen oder einem Wärmegefühl auf der Haut kommen.
Ob als Desinfiziens oder zur oralen Einnahme: Jod sollte bei Personen mit Schilddrüsenerkrankungen nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ärztlicher Absprache angewendet werden. Bei Kindern unter einem Jahr sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit ist besondere Vorsicht geboten. Jod kann in die Muttermilch übergehen und beim Kind eine Schilddrüsenunterfunktion auslösen. Die Anwendung eines Jodgitters erfolgt nicht nur „off-label“, sondern entbehrt auch jeglicher klinischen Evidenz.
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