Syrien-Krieg

Israelis operieren verletzte Syrer

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Naharija -

Kusai ist ein einfacher Mann, ein Farmer aus der Nähe von Damaskus. Der 23-Jährige arbeitete auf dem Feld, als er bei einem Bombenangriff verletzt wurde. „Ich habe nur gesehen, wie ich blutete“, erzählt er von den Augenblicken danach. Er trägt ein blaues Krankenhaus-Hemd, die schwarzen Haare kurz, den Vollbart gestutzt. Die linke Hand ist eingewickelt in einen Verband, der Daumen seltsam kurz, seine rechte Hand ist steif.

Kusai sitzt im „Galiläa Medizin-Zentrum“ in Naharija, einer Stadt im Norden Israels. Nachbarn hätten ihn nach dem Bombenangriff in ein Krankenhaus in der Nähe gebracht, erzählt er. Doch zur Behandlung musste und wollte er ins verfeindete Nachbarland.

Seit März 2011 tobt in Syrien auch ein von außen befeuerter Bürgerkrieg. Israel hat seit 2013 laut Armee insgesamt rund 3000 verletzte Syrer behandelt. Das Land ist für seine gute medizinische Versorgung bekannt. Mehrere Kliniken im Norden des Landes nehmen die Menschen auf, Ärzte operieren sie, Pfleger helfen ihnen. Danach gehen sie wieder nach Syrien zurück.

Israel hat bisher Dutzende Millionen Euro für die Behandlungen gezahlt. Doch nun droht das Gesundheitsministerium mit einem Stopp des Hilfsangebotes: Die Krankenhäuser erhielten nicht genügend Geld vom Staat und blieben auf einem großen Teil ihrer Ausgaben sitzen, heißt es in einem Brief an das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Aktuell ist das Verteidigungsministerium für die Finanzierung zuständig.

„Das ist die einzige Möglichkeit für eine Behandlung“, sagt Kusai über die Hilfe in Israel. „Es gibt keine Chance, eine Behandlung durch das Regime zu bekommen.“ Sein Dorf in Syrien befinde sich unter der Kontrolle der Opposition.

Der junge Mann sagt seinen Nachnamen nicht. Er will sich auch nicht fotografieren lassen. Die Syrer müssen aufpassen, wem sie von ihrer Behandlung in Israel erzählen. Immerhin gilt der jüdische Staat als böse und gefährlich.

„Wir lernen schon als Kinder, dass Israel Feindesland ist“, sagt Rasi aus Damaskus. Er sitzt im Rollstuhl neben Kusai. Sein linkes Bein ist fixiert. Vor zweieinhalb Jahren sei er in Damaskus auf der Straße beschossen worden. Er ging nach Jordanien. „Aber die Behandlung war nicht so professionell“, sagt er. Seit vier Monaten ist er nun in Naharija. Sonst arbeitet er für die syrische Regierung.

„Sie haben mich wie einen Menschen behandelt, nicht wie eine Person, die aus Syrien kommt“, sagt er nun über die Israelis. Er lerne Hebräisch, schnappe hier und da einzelne Wörter auf. Doch der 31-Jährige betont auch: „Vier Monate habe ich in diesem Raum verbracht, umgeben von Mauern. Ich habe die Welt draußen nicht gesehen. Ich kenne die Israelis nicht, die draußen leben.“

Die Männer leben in einem Bunker mit beigen Wänden und Trennwänden. Ein Teil des Krankenhauses ist unterirdisch und bombensicher. Die Grenze zum ebenfalls verfeindeten Libanon ist weniger als 30 Kilometer entfernt. Die verletzten Syrer werden gemeinsam in einem Raum untergebracht, ein Sicherheitsmann sitzt an der Tür. Israel schützt sie – und sich.

Die verletzten Syrer kommen nun mit Unterstützung einer internationalen Hilfsorganisation an den Grenzzaun. Die israelische Armee kontrolliert sie. „Wir erlauben niemandem, mit Waffen ins Land zu kommen“, sagt ein führender Offizier der nördlichen Streitkräfte. „Wir behandeln nur Zivilisten.“

Doch nicht jeder lobt die Hilfe Israels für die Syrer. Israel hat 1967 im Sechs-Tage-Krieg auch einen Teil der syrischen Golanhöhen erobert. In diesem Gebiet leben 25.000 Drusen in vier Dörfern. Einige von ihnen sehen sich immer noch als Syrer und werfen Israel vor, eben nicht nur Zivilisten ins Land zu holen.

„Israel ist nicht die Schweiz“, sagt Scheich Hussam Nasser, ein religiöses Oberhaupt der Drusen und Unterstützer des syrischen Regimes. „Israel hat seine eigene Agenda bei der Behandlung dieser Terroristen, die an der Front in der Nähe der israelischen Grenze kämpfen.“ Israel hält sich im Syrien-Krieg betont zurück, hat allerdings immer wieder Ziele in dem Nachbarland beschossen, um Waffenlieferungen an die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah zu unterbinden.

Naharija liegt etwas mehr als eine Stunde Autofahrt vom Grenzgebiet zu Syrien entfernt. Im örtlichen Krankenhaus sind bisher mehr als 1500 Syrer behandelt worden, sagt der Hals-Nasen-Ohren-Spezialist Ejal Sela. Die meisten seien zwischen 15 und 25 Jahren alt. Viele kämen mit Verletzungen durch Bomben und Schüsse. „Es ist nicht das, was wir gewöhnt sind zu sehen, nicht wie bei Autounfällen“, sagt Sela.

Der Arzt hofft, dass die Syrer zurückgehen und ihren Kindern und Enkelkindern erzählen werden, dass die Israelis ihnen geholfen haben – dass die Feindschaft irgendwann endet. „Wir haben Mitgefühl mit ihnen, wir reden mit ihnen, wir werden Freunde“, sagt Sela. „Vielleicht werden unsere Kinder eine bessere Zukunft haben.“

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