Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wird in dieser Woche über einen groß angelegten Betrugsfall verhandelt: Ein Zwischenhändler soll hochpreisige Medikamente direkt an Patientinnen und Patienten geliefert haben; ein Apotheker soll die Präparate, die er nie zu Gesicht bekommen hatte, gegenüber den Kassen abgerechnet haben. Es geht um knapp 10 Millionen Euro.
Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) geht aufgrund ihrer Ermittlungen davon aus, dass ein 48-jähriger Geschäftsführer aus Nürnberg, ein 65 Jahre alter Apotheker aus München sowie zwei 39 und 41 Jahre alte Mitarbeiter ein komplexes Geschäftsmodell entwickelt hatten, um sich unter Umgehung der Apothekenpflicht ungerechtfertigt zu bereichern. Von den Krankenkassen sollen hierdurch Beträge in Höhe von rund 9,8 Millionen Euro zu Unrecht ausbezahlt worden sein.
Die Angeschuldigten sollen hierfür ein Geschäftsmodell entwickelt haben, das schwer kranke Patienten mit hochpreisigen Medikamenten versorgte. Der angeschuldigte Geschäftsführer betrieb – so der Vorwurf – hierzu als Alleingesellschafter ein Unternehmen, welche die Medikamente unmittelbar von den Herstellern bezog und diesen gegenüber als Großhändler auftrat. Die Medikamente sollen dann durch einen Angestellten nach vorgegebenen Arbeitsabläufen direkt an die jeweiligen Patienten verschickt worden sein.
Die Apotheke soll die Präparate bei den Kassen abgerechnet haben. Dazu wurden ihr Rechnungen über Lieferungen in Rechnung gestellt, die es laut Staatsanwaltschaft nie gab. Die Scheinrechnungen sollen der unzulässigen Verschleierung der Direktabgabe der Medikamente an die Patienten gedient haben.
Der Apotheker und sein 39 Jahre alter Angestellter sollen diese Scheinrechnungen beglichen und sodann die Arzneimittel im Kassensystem der Apotheke als von ihr verkauft erfasst haben. Anschließend sollen sie die Rezepte für die Abrechnung bei den Kassen bedruckt haben. Die Rezepte sollen dann über ein Rechenzentrum den Krankenkassen in Rechnung gestellt worden sein, welche diese auch bezahlten.
Anlass der Ermittlungen waren Mitteilungen mehrerer Krankenkassen, die im Rahmen von Überprüfungen feststellten, dass einzelne von der Apotheke zur Abrechnung eingereichte Rezepte ein Verordnungsdatum aufwiesen, welches zeitlich nach dem Sterbedatum eines Patienten lag.
Den Angeschuldigten sei bekannt gewesen, dass wegen der Umgehung der Apothekenpflicht die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Abrechnung nicht vorlagen. Sinn und Zweck der Apothekenpflicht sei unter anderem, dass die Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit grundsätzlich nur unter Aufsicht und Verantwortung eines Apothekers, also einer Person mit entsprechender Sachkunde erfolgen solle, so die Staatsanwaltschaft.
Der Apotheker und sein Angestellter sind wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrug in zwölf Fällen angeklagt, der Geschäftsführer wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug und vorsätzlicher Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Nichtberechtigte und sein Angestellter wegen Beihilfe zum Betrug und Beihilfe zur vorsätzlichen Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Nichtberechtigte.
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