Illegale Gesundheitsversprechen

Influencer über NEM: „Zustände wie im wilden Westen“

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Berlin -

Die sozialen Medien sind voll von irreführender Gesundheitswerbung für Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Ein neuer foodwatch-Report nahm die Instagram-Posts von 95 Gesundheits- und Fitnessinfluencer:innen unter die Lupe und musste feststellen: Die Posts verstoßen gegen die europäische Health-Claims Verordnung (HCVO), die Verbraucher:innen vor irreführender Werbung schützen soll. Besonders häufig fielen die Firmen ESN und More Nutrition auf.

Posts auf Instagram, die bewerben, wie gut das ein oder andere Nahrungsergänzungsmittel wirkt, gibt es zu Hauf. „Meine Leberwerte sind wieder top, dank XY“, heißt es beispielsweise. Oder: „Wenn du Gelenkprobleme aufgrund chronischer Entzündungen oder intensiver Belastung hast, habe ich zwei Tipps für dich.“ Im Anschluss werden dann entsprechende Produkte in die Kamera gehalten. Kapseln, Pulver und etliche Supplements werden so an die Frau oder den Mann gebracht, das Geschäft boomt und erzielt mittlerweile Milliardenumsätze. Aber: Oftmals muss die gesamte Produktwerbung als unzulässig eingestuft werden, weil mindestens einer der Claims nicht zulässig war, urteilt foodwatch.

Besonders schwierig sei die Einordnung bei Nutzermeinungen aus dem Internet. „Ob ein Erfahrungsbericht authentisch ist, ist schwer nachprüfbar“, betont foodwatch. „Natürlich darf man grundsätzlich die eigene Meinung über Produkte kundtun.“ Aber da die Influencer:innen „allesamt erkennbar Kooperationen mit den jeweiligen Unternehmen hatten“, stufte foodwatch die entsprechenden Stories als Werbung ein, somit gelten auch die Health Claims als unzulässig.

„Was sich in sozialen Medien abspielt, ist der Wilde Westen der Gesundheitswerbung. Ohne Kontrolle, ohne Regeln, ohne Rücksicht auf Risiken“, sagte Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer von foodwatch. „Die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln sind in Goldgräberstimmung – Verbraucher:innen zahlen, im schlimmsten Fall mit ihrer Gesundheit. Der wachsende Online-Markt muss endlich wirksam überwacht werden!”

Markteinfluss durch Influencer:innen

Die „The Quality Group“ aus Schleswig-Holstein, die als Tochterfirmen ESN und More Nutrition hat, fielen besonders negativ im Bericht auf. Laut foodwatch wurde ESN in 47 Fällen mit illegalen Aussagen beworben. Das Problem: Beide Marken haben Verträge mit etlichen beliebten Influencer:innen geschlossen, die besonders viele Follower:innen haben. Das heißt konkret: „2023 betrug der Jahresumsatz laut eigenen Angaben 680 Millionen Euro und konnte damit im Vergleich zu 450,7 Millionen im Vorjahr um gut 50 Prozent gesteigert werden“, erklärt foodwatch. „The Quality Group gab 2024 gegenüber dem Fachmagazin Business Insider an, 900 Influencer:innen unter Vertrag zu haben.“

Wie groß der Einfluss von Influencer:innen auf das Kaufverhalten ihrer Follower:innen ist, zeigt der Bericht ebenso: Social-Media-Nutzer:innen zwischen 18-65 Jahren würden mit einer 61 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit Produkte der Marke kaufen, die eine Influencerin oder ein Influencer bewirbt, der oder dem sie folgen.

Laut foodwatch liege das Hauptproblem bei der kommunal organisierten Lebensmittelüberwachung in Deutschland. „Litten die Überwachungsämter ohnehin schon unter Personalmangel und kämen kaum hinterher, Hygienevorschriften in Restaurants zu kontrollieren, stießen sie bei der Überprüfung der Werbung in sozialen Medien endgültig an ihre Grenzen.“ Die eindeutige Forderung lautet deshalb: „Die Kontrolle des Online-Markts müsse auf Bundesebene gebündelt und die Überwachung ausreichend personell und finanziell ausgestattet werden.“

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