Fehlende Praxen, überall Sanierung

„In 10 Jahren fertig“: Apotheke trotzt Baustellenchaos

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Berlin -

Die Askanier-Apotheke von Dorothea Metzner ist die letzte Apotheke im sozial schwachen Hamburger Stadtteil Steilshoop. Die medizinische Versorgung ist bedroht: Seit 2020 mussten zwei Hausarztpraxen schließen, darüber hinaus ist der Stadtteil durch zahlreiche Baustellen und Straßensperrungen vom Verkehr abgeschnitten. In Kürze wird zudem ein 30 Meter tiefes Loch vor dem Apothekeneingang ausgehoben – für den künftigen U-Bahn-Zugang, dessen Fertigstellung bis zu zehn Jahre dauern kann. Metzner blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft: „Wir sehen hier vor Ort eine Perspektive und Potenzial.“

Der Hamburger Stadtteil Steilshoop wurde in den 1970er-Jahren als Satellitenstadt mit zentraler Infrastruktur geplant. Heute leben dort rund 20.000 Menschen, etwa 70 Prozent mit Migrationshintergrund. Seit 2020 mussten zwei große Hausarztpraxen schließen. Seither gibt es nur noch zwei Hausarztpraxen – eine davon im Ärztehaus, in dem auch die Askanier-Apotheke untergebracht ist – sowie eine Kinderarztpraxis. Fachärzte gibt es keine.

Die Versorgung ist laut Metzner bedroht, obwohl der gesamte Bezirk als überversorgt gilt. Kürzlich wurden in zwei angrenzenden Stadtteilen Hausarzt-Praxen eines medizinischen Versorgungszentrums geschlossen, zu welchem auch die Praxis im Ärztehaus gehört. „Nur noch die in Steilshoop ist derzeit überhaupt geöffnet“, berichtet die Inhaberin.

Baustellen an allen Ecken und Enden

Der Stadtteil ist durch viele Baustellen und Sperrungen weitestgehend vom motorisierten Verkehr abgeschnitten und mehr oder weniger nur noch zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar. Vor dem Eingang der Apotheke wird in naher Zukunft zudem ein 30 Meter tiefes Loch für den U-Bahn-Zugang gegraben. „Nichts desto trotz klafft bereits ein weniger tiefes Loch direkt neben der Apotheke“, berichtet Metzner. „Gerade laufen die Vorarbeiten zum Grubenaushub.“ Die Eröffnung der Haltestelle ist aber erst in zehn Jahren geplant. Für viele, besonders mobilitätseingeschränkte Menschen, bedeute das „eine deutliche Erschwerung des Weges.“

Der Bau der U-Bahn-Haltestelle begann „just in dem Moment, wo auch die Sanierung des Einkaufszentrums losgehen sollte.“ Ein Fußgängertunnel, der das Einkaufszentrum mit dem Platz vor der Apotheke verband, wurde abgerissen, Bushaltestellen verlegt.„Wenn hier alles gesperrt ist, sind zwei Kilometer bis zum nächsten Stadtteil für viele Menschen nicht leicht zu bewältigen“, beklagt Metzner.

Foto: Großbaustelle im Hamburger Staddteil Steilshoop
Hinter der Absperrung vor der Askanier-Apotheke sieht es aktuell so aus.Foto: Askanier-Apotheke Steilshoop

Versorgung langfristig sichern

Die Askanier-Apotheke hat im Zuge dessen ihren Botendienst erweitert, um ältere und bewegungseingeschränkte Patienten zu unterstützen: „Wir haben vier Boten, die täglich mit dem Fahrrad fahren.“ Autos sind wegen der engen Straßen kaum nutzbar.

Die Apothekenvergütung spielt dabei laut Metzner eine große Rolle: „Wenn wir mehr Honorar bekommen, können wir langfristig jemanden fest anstellen, der den ganzen Tag mit dem Fahrrad unterwegs ist.“ Außerdem laufen Gespräche mit der Politik, um neue Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen. „Aufgrund der Baustellen und Sanierungen ist das ziemlich schwierig, weil es hier kaum freie Gebäude oder Flächen für Praxen gibt.“

Die Baustellen sind für alle Steilshooper eine große Belastung. „Für die Menschen hier ist das wirklich schwierig. Den ganzen Tag gibt es Baustellenlärm. Neulich erzählte eine Kundin, dass sie um drei Uhr nachts gar nicht mehr schlafen konnte.“

Diese Sorge brächten die Kundinnen und Kunden mit in die Apotheke, man helfe sich in dieser herausfordernden Zeit gegenseitig, sagt die Apothekerin. „Wir sind froh, dass die Menschen uns unterstützen. Steilshoop ist wie ein großes Dorf. Jeder kennt jeden, und man hilft sich gegenseitig.“

„Wir sehen Zukunftspotenzial“

Metzner arbeitet seit 2004 in der Askanier-Apotheke und übernahm sie 2019. „Als ich meine Stelle 2004 antrat, hatten wir drei Apotheken im Stadtteil.“ Seit letztem Jahr ist die Askanier-Apotheke die einzige, die übrig geblieben ist.

Trotz allem betont sie: „Wir sehen hier vor Ort eine Perspektive und Zukunftspotenzial und ich arbeite mit meinem Team sehr gerne hier.“ Das Ziel ist es, „die nächsten zehn Jahre so gut wie möglich zu überstehen, damit wir irgendwann in eine stabile und sichere Zukunft starten können.“

Metzner weist darauf hin, dass besorgte Blicke heute meist auf die ländlichen Regionen gerichtet seien, „in den Großstädten sieht es aber ähnlich aus.“ Sie ist davon überzeugt, dass „gerade diese medizinische Unterversorgung und damit auch die geringe Apothekendichte in anderen sozial schwachen Stadtteilen von Metropolen und Großstädten auch gegeben seien. Das ist nicht nur in Hamburg so.“ Den Landapotheken wolle sie ihre Probleme nicht absprechen, „aber die Stadt hat auch ihre ganz eigenen Probleme.“

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