Ausbildung

Hebammenreform: Charité schafft neuen Studiengang

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Berlin -

Die Hebammenausbildung wird reformiert: Künftig müssen angehende Hebammen studieren, eine klassische Ausbildung reicht nicht mehr aus. 120 Plätze für Studienanfänger sollen ab 2021 in Berlin bereitstehen. Was ändert sich für Hebammen und Mütter?

Wer in Berlin Hebamme werden will, muss dafür künftig studieren. Wegen einer bundesweiten Reform stehen nun auch in der Hauptstadt Veränderungen an: Die letzten Ausbildungsjahrgänge von Charité und Vivantes starten nach Angaben der Institutionen dieses Jahr. Gleichzeitig bereitet die Charité einen Hebammenstudiengang vor. Angestrebt werde, dass 60 Studierende zum Wintersemester 2021/22 anfangen können, wie die Universitätsmedizin auf Anfrage mitteilte.

Die praktischen Ausbildungsteile des dualen Studiengangs würden Charité und Vivantes gemeinsam übernehmen, heißt es. Insgesamt plant der Senat eigenen Angaben zufolge mit 120 Studienanfängern ab 2021.

Bislang machten die meisten angehenden Hebammen in Berlin eine klassische Ausbildung, für die ein Mittlerer Schulabschluss ausreicht. Zuletzt entschieden sich allerdings auch immer mehr dafür, an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) ein Studium zu absolvieren. Bereits seit 2013 gibt es dort den Bachelor of Science of Midwifery. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Studienanfänger von 20 auf derzeit 49, wie es von Senat und EHB heißt. Die Hochschule kooperiert im dualen Studiengang mit dem St. Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof.

Die Studiengänge der EHB und der Charité sollen künftig auffangen, was an Ausbildungsplätzen wegfällt, wie aus Plänen der Senatskanzlei hervorgeht. Unterm Strich sollen dabei mehr Hebammen ausgebildet werden als bisher. Angesichts von 48 abgeschlossenen Ausbildungen im Jahr 2018 zeichne sich ein signifikanter Anstieg ab, teilt die Gesundheitsverwaltung mit.

Ein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) initiiertes Gesetz sieht vor, dass werdende Hebammen in Zukunft ein sechs bis acht Semester langes duales Studium mit hohem Praxisanteil absolvieren müssen. Deutschland ist nach Angaben der Bundesregierung das letzte Land der EU, das eine entsprechende EU-Richtlinie umsetzt. Die Reform soll den Beruf attraktiver machen und die Qualität der Ausbildung erhöhen.

Melita Grieshop, Professorin für Hebammenwissenschaften und Leiterin des Studiengangs Hebammenkunde an der EHB, erklärt, dass Mütter und Kinder profitierten, wenn sie von einer studierten Hebamme betreut werden. Ein Studienabschluss ermögliche, aktuelle Forschungserkenntnisse in die Betreuung einfließen zu lassen.

Der Hebammenmangel jedoch werde nicht durch ein Hochschulstudium beseitigt, sagt Grieshop. Der habe andere Ursachen – wie etwa die Bezahlung. Diese werde der sehr hohen Verantwortung, die Hebammen tragen, nicht gerecht.

Hebammen werden in Berlin dringend gebraucht. Nach aktuellen Angaben des Senats arbeiteten 2017 rund 1500 Hebammen in der Hauptstadt. Die Zahl war in den Jahren zuvor zwar kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig wurden aber auch mehr Kinder geboren: 2016 übertraf die Geburtenzahl in einem vorübergehenden Höhepunkt laut Statistikamt die 40.000-Marke. Es häuften sich Berichte über Schwangere, die nur schwierig eine Hebamme fanden oder bei einsetzenden Wehen auf volle Kreißsäle stießen.

Ann-Jule Wowretzko, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands, begrüßt die Ausbildungsreform. Das eigentliche Problem sei aber die hohe Arbeitsbelastung in den Kreißsälen. Viele Hebammen kämen nach der Ausbildung im Beruf an und merkten, dass sie so nicht arbeiten könnten. Es gebe zu wenig Personal in den Krankenhäusern, das Gehalt sei niedrig und der Anteil der Verwaltungstätigkeiten zu hoch, kritisiert sie.

Laut einem jüngst veröffentlichten Gutachten des Iges-Instituts, das vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurde, hat Berlin im deutschlandweiten Vergleich einen schlechten Betreuungsschlüssel: 2017 kamen demnach auf 1000 Lebendgeborene rechnerisch 12,4 Hebammen in Krankenhäusern. Die Quote war nur in Bayern niedriger.

Die Mehrheit der für die Studie in ganz Deutschland befragten Hebammen gab außerdem an, in einer regulären Schicht drei oder sogar vier werdende Mütter gleichzeitig betreuen zu müssen. Die meisten waren dabei mit ihrem Gehalt unzufrieden. Die Folge: Rund ein Viertel der Hebammen dachte daran, ihren Beruf aufzugeben.

Vor zwei Jahren wollte die Berliner Gesundheitsverwaltung diese Probleme in einem Runden Tisch mit Kliniken, Hebammen, Ärzten, Krankenkassen und Eltern angehen. Beschlossen wurde ein ambitionierter Aktionsplan, der eine Erhöhung der Ausbildungsplätze sowie mehr Geld für neue Kreißsäle und eine bessere Anerkennung ausländischer Hebammen vorsah.

Viele der Maßnahmen seien zwar umgesetzt worden, sagt Wowretzko vom Hebammenverband nun. „Die Arbeitsbedingungen für Hebammen zu verbessern, hat jedoch nicht funktioniert.“ Sie fordert daher, die Initiative wieder aufzunehmen: Seit 2018 habe sich der Runde Tisch nicht wieder getroffen.

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