Glosse

DocMorris: Liebesgrüße aus Heerlen

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Berlin -

Es ist viel Zeit vergangen seit unserer ersten und einzigen Rezepteinlösung – doch DocMorris glaubt offenbar noch an eine gemeinsame Zukunft. Nach unzähligen unbeantworteten Mails folgt nun – ganz klassisch – der Brief. Analog, höflich, ein Stück weit verzweifelt – und inhaltlich erschlagend.

Über eineinhalb Jahre ist sie jetzt her – die Odyssee zum Rezeptbonus. „Fortsetzung folgt“ hieß es am Ende dieser Grenzerfahrung, und ja: Es gibt einiges zu erzählen.

DocMorris hat unsere Beziehung nie wirklich aufgegeben, auch wenn sie bislang ziemlich einseitig verlief. Zu allen möglichen Themen wollte der Versender unsere Meinung wissen: „Lieblingsprodukt: Was sind Ihre Favoriten?“ oder auch recht persönliche Dinge: „Probleme mit der Verdauung? Das muss nicht sein!“

Selbst zum Geburtstag des Versenders flatterte eine Mail ins Postfach (geht das nicht eigentlich umgekehrt?). Zuletzt wurde der Ton dringlicher: „– 5 Euro Rabatt: Wir vermissen Sie!“ – aber wir blieben kalt.

Foto: Rückseite eines Freiumschlags von DocMorris mit Kleingedrucktem
Hier hatten wir das Kleingedruckte nicht erwartet.Foto: APOTHEKE ADHOC

Neue Wege fürs Kleingedruckte

Doch dann das: Beim üblichen Gang zum Briefkasten rechneten wir mit allem – vielleicht dem nächsten Geburtstagsgruß vom Stromanbieter oder – endlich – der Nebenkostenabrechnung für 2024. Aber sicher nicht mit dem digitalen Vorreiter DocMorris, der sich postalisch meldet. Im Briefkasten: ein unscheinbarer, weißer Umschlag. Darin ein Faltblatt, durch das man trotz vielfältiger Bedruckung hindurchsehen kann, und ein frankierter Rückumschlag derselben Qualität: „Das Porto zahlt DocMorris für Sie!“ Wie aufmerksam.

Auf der Rückseite des Freiumschlags entdecken wir es dann: Das Kleingedruckte. „Bitte beachten Sie: Für eventuelle pharmazeutische Rückfragen benötigen wir Ihre Telefonnummer. Bitte legen Sie diese Ihrer Bestellung bei, falls sie uns nicht bereits vorliegt.“

Okay, langsam: Die Formulierung „eventuelle pharmazeutische Rückfragen“ enthält deutlich zu viele Einschränkungen für unseren Geschmack. Aber gut: Beim Versender verabreicht man sich die pharmazeutische Beratung ohnehin selbst über den Beipackzettel. Nett, dass wir uns dennoch melden dürfen.

Und: Wie genau sollen wir der Bestellung unsere Telefonnummer beilegen? Auf einem Post-It? Per Visitenkarte? Oder doch gleich eingerollt ins Rezeptpapier, zur besseren pharmazeutischen Erreichbarkeit?

Ja zur Rezeptur, nein zur Rezeptur

Das ist aber noch nicht alles: „Manche individuell anzufertigenden Arzneimittel (Rezepturen) sind bei DocMorris nicht erhältlich oder die Anfertigung kann länger dauern. Bitte wenden Sie sich vor der Bestellung einer Rezeptur an unseren Kundenservice (kostenfrei).“

Achso, jetzt sollen wir uns also doch proaktiv melden. Ist bei DocMorris nicht eigentlich alles so herrlich unkompliziert? In der Apotheke reicht es, die Verordnung vorzulegen. Hier braucht es offenbar eine Voranmeldung – und Geduld.

Und falls die Rezeptur gar nicht hergestellt werden kann? Kein Hinweis, keine Lösung, kein Vorschlag. Vielleicht erledigt sich das Problem ja von selbst – durch Zeitablauf oder spontane Genesung. Oder sollen das wohlmöglich echte Apotheken übernehmen? Spannend!

App, Rezept-Bonus, Papierrezept: Inhaltlich fehlt hier nichts.Foto: APOTHEKE ADHOC

Der Informationsroundhousekick

Beim Aufklappen des eigentlichen Highlights – nämlich des einseitigen Werbefaltblatts – entpuppt sich dieses als eine Art Informationsroundhousekick. Eine kurze Zusammenfassung:

  • Laden Sie unsere App herunter, hier ist der QR-Code.
  • Haben Sie die App? So lösen Sie ihr E-Rezept ein.
  • Haben Sie eigentlich schon unsere App? Hier ist ein 10-Euro-Rabattcode.
  • Ach, Sie erhalten weiterhin Papierrezepte? Nutzen Sie den Freiumschlag!
  • „Rezept-Bonus? Klar Doc! So funktioniert's!“ 1 bis 15 Euro pro Medikament!

Im Zentrum des Info-Gewitters: ein ganz persönliches Anschreiben, sogar ganz persönlich mit Namen. „Seit Sie Ihr letztes Rezept bei uns eingelöst haben, hat sich eine Menge getan!“ Ja, das lesen wir – und sind benommen von so viel Zuwendung, Rabatt und QR-Code. DocMorris will unser Rezept, ob digital oder per Umschlag – Hauptsache, es landet im Konzern.

Aber wir haben zum Glück immer noch die Wahl und stellen fest: Die Liebe der Apotheke vor Ort ist irgendwie unaufdringlicher und anders. Sie kommt ohne, dass uns die Angebote derart um die Ohren fliegen.

Apothekenteams beraten persönlich und kompetent vor Ort, ohne lange Wartezeiten telefonisch und immer öfter sogar im Livechat – mit echtem pharmazeutischen Personal statt einem Bot, der nur Bahnhof versteht. Und natürlich haben Apotheken schon längst eigene Apps, auch wenn das Versender dies als Alleinstellungsmerkmal pachten. Von der Belieferungsgeschwindigkeit ganz zu schweigen.

Tja, DocMorris – die Liebespost wird wohl einseitig und unbeantwortet bleiben.

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