Porträt

Die Fälschungsjäger

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Das jüngste Beispiel ist „Slimming Factor“. Die Abnehmpillen werden im Internet als traditionelle chinesische Medizin angepriesen; hochwirksam und ohne Nebenwirkungen. Doch das Produkt ist nach Angaben der Gesundheitszeitschrift „Gute Pillen, schlechte Pillen“ (GPSP) alles andere als natürlich und sicher. Es enthält unter anderem den Wirkstoff Sibutramin (Markenname Reductil), der in Europa Anfang 2010 vom Markt genommen wurde. GPSP kämpft seit Jahren den schier aussichtslosen Kampf gegen gefälschte Pillen aus dem Internet.

Dazu sammeln die Redakteure der Zeitschrift die Informationen der Überwachungsbehörden aus aller Welt. Die meisten Hinweise kommen GPSP-Chef Wolfgang Becker-Brüser zufolge aus Kanada und den USA, auch die Schweiz und Großbritannien liefern viele Informationen. GPSP veröffentlicht alle Funde - die Liste umfasst mittlerweile rund 530 Einträge zu illegalen Produkten, die meistens in Asien gepanscht und online verkauft werden.

Becker-Brüser kritisiert die Arbeit der deutschen Behörden: „Das große Problem ist aus meiner Sicht, dass sich hier niemand zuständig fühlt.“ Denn die Überwachung sei Aufgabe der Bundesländer, und deren Reaktion auf entsprechende Meldungen seien meistens ziemlich frustrierend. „Deswegen ist Deutschland leider ein sehr guter Markt für Fälschungen“, so Becker-Brüser. In den USA sei beispielsweise die Arzneimittelbehörde FDA direkt verantwortlich.

Immerhin: Hessen will das Thema illegaler Arzneimittelverkehr bei der Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni ansprechen und hat einen Antrag eingebracht. Nach Angaben des hessischen Gesundheitsministeriums hat der Zoll im vergangenen Jahr allein in Hessen 15.600 Postsendungen aus dem Verkehr gezogen, nach 1028 im Jahr 2008.

Viel getan ist damit aber laut GPSP nicht: „Es ist unmöglich, diese Kanäle endgültig dicht zu machen“, sagt Becker-Brüser. Deshalb gehe es vor allem um Aufklärung. „Aber von den Behörden wird viel zu wenig offensiv über das Thema informiert“, kritisiert Becker-Brüser. Apotheker könnten Verbraucher zwar vor Ort über die Risiken informieren. Allerdings stünden sie dann schnell im Verdacht, nur das eigene Geschäft ankurbeln zu wollen, so Becker-Brüser, der selbst Arzt und Apotheker ist.

GPSP wurde 2006 als Gemeinschaftsprojekt der Arzneimittelzeitschriften „Arznei-Telegramm“, „Der Arzneimittelbrief“ und „Pharma-Brief“ gegründet. 2008 kam „Arzneiverordnung in der Praxis“ dazu. Normalerweise konkurrieren die Verlage darin, Ärzte und Apotheker über Nutzen und Risikien bekannter und neuer Medikamente zu informieren - mit durchaus pharmakritischer Ausrichtung. Bei GPSP geht es den Beteiligten nach eigenen Angaben um die Arzneimittelsicherheit, aber auch angemessene Arzneimittelpreise sowie Missstände des Pharmamarktes.

Das Projekt finanziert sich über Abonnements. Sechs zwölfseitige Hefte kosten im Jahr 15 Euro. Bislang sei GPSP mit einer Auflage von knapp 10.000 Heften allerdings ein Zuschussgeschäft, so Becker-Brüser. Kooperationen mit Arztpraxen oder Apotheken seien die Ausnahme.

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