Bayern

Millionenbetrug mit Klinikware

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Berlin -

Ein Apotheker aus Bayern muss sich derzeit vor dem Landgericht Hof verteidigen, weil er Klinikware illegal weiterverkauft hat. In dem Strafverfahren geht es auch um die Frage, ob und was die Hersteller davon wussten. Der Apotheker sprach von einem Graubereich, während der Vorsitzende Richter Matthias Burghardt gegenüber der Frankenpost erklärte: „Wir bewegen uns in einem Sumpf.“

Der Prozess gegen den 64-jährigen Apotheker aus dem Landkreis Hof hat am Montag begonnen. Wie die Frankenpost berichtet geht es um Klinikware, die als normale Arzneimittel an Großhändler und Exporteure verkauft wurden. Den Herstellern sollen dadurch Einnahmen in Millionenhöhe entgangen sein.

Auf über eine Million Euro beziffert die Staatsanwaltschaft laut Frankenpost allein den Schaden, der Ratiopharm dadurch entstanden sein soll, weil der Apotheker Schmerzpflaster mit Fentanyl als Klinikware orderte und gleich wieder an Großhändler und Exportunternehmen verkaufte. Der Apotheker versicherte jedoch, dass dies dem Hersteller bekannt gewesen sei. Es sei nur um einen möglichst hohen Umsatz gegangen, argumentiert er. Ratiopharm teilte in einem Schreiben an das Landgericht mit, keinen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Darum wird die Anklage in diesem Punkt nicht weiter verfolgt.

Andere Hersteller fühlen sich aber durchaus geschädigt. Drei weiteren Firmen ist nach Berechnungen der Staatsanwaltschaft ein Schaden von rund 290.000 Euro entstanden. Der Apotheker räumte ein, auch in diesen Fällen unerlaubt Klinikware an Exporteure und Großhändler abgegeben zu haben.

Der Apotheker sprach in dem Verfahren von einem „grauen Markt“, von dem alle gewusst hätten: Ihm sei erst nach seiner Festnahme und einer zeitweiligen Inhaftierung im Jahr 2010 bewusst geworden, dass er Fehler begangen habe, schreibt die Frankenpost. Vorher sei er – wie viele andere Kollegen auch – allenfalls von einem Verstoß gegen privatrechtliche Vertriebsverträge ausgegangen. Eigentlich sei man den Herstellern nur behilflich gewesen, riesige Mengen ihrer Medikamente im Markt unterzubringen.

Auch sein damaliger Anwalt habe ihn in diesem Glauben gelassen. Als ein Hersteller misstrauisch geworden sei, habe sein Anwalt ihm geraten, die Lieferscheine fälschen zu lassen. Daher wurden sowohl der Anwalt als auch die beteiligten Apothekenmitarbeiter mit Strafbefehlen belegt.

In einem anderen Fall war dem Apotheker sein Vorgehen offenbar selbst suspekt geworden: Zusammen mit einem inzwischen bereits verurteilten Außendienstmitarbeiter brachte er zwischen 2007 und 2009 Clexane-Klinikware als Sprechstundenbedarf bei Ärzten unter. Den Schaden des Herstellers Sanofi schätzt die Staatsanwaltschaft auf rund 46.000 Euro.

Vor Gericht sagte der Apotheker laut Frankenpost, dass bei seinen Geschäften nicht viel ohne das Wissen des vermeintlich geschädigten Unternehmens gelaufen sei. Der Hersteller habe mit aller Macht versucht, das Mittel in den Markt zu drücken. Der Pharmavertreter habe ihm zu verstehen gegeben, dass er sich „nur keine Sorgen machen“ solle.

Der Außendienstler sei es letztlich auch gewesen, der die Ärzte zur Bestellung animiert und ihre Rezepte bei ihm eingereicht habe, erklärte der Apotheker. Er habe sich selbst gewundert, dass niedergelassene Ärzte einen solch hohen Bedarf an dem Medikament gehabt hätten. Schließlich sei es ihm unheimlich geworden und der habe darum gebeten, die Vermittlungen einzustellen. Wie bei einer Therapie habe man die Sache „ausgeschlichen“, auf Bitte des Pharmavertreters und um die Ärzte nicht zu verprellen, schreibt die Frankenpost.

Der Apotheker hatte mehrere Versorgungsverträge mit Krankenhäusern geschlossen und konnte somit die preiswerte Klinikware beziehen. Die Frankenpost sieht selbst das Konzept kritisch: Wie bei Drogenhändlern würden Menschen mit preiswerten Mitteln auf bestimmte Produkte eingestellt, um sie dann auch zum höheren Preis zu beziehen.

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