Während die Versandkonzerne das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Preisbindung für ausländische Anbieter feiern, werden in den Vor-Ort-Apotheken immer wieder die Lücken dieses Systems sichtbar. Wer auf Logistiker im Arzneimittelversand setze, könne mindestens 10 Prozent der besonders vulnerablen Gruppen nicht versorgen, mahnt Inhaberin Ina Leischner.
Leischner betreibt die Neue Apotheke in Hohenmölsen bei Leipzig. Sie warnt davor, auf Logistiker wie Shop Apotheke zu setzen. Beim Blick in eine elektronische Patientenakte (ePA) einer Patientin sei genau aufgezeichnet gewesen, wo der Patient was einkauft. „Dort stand also Shop-Apotheke, Shop-Apotheke und DocMorris, dann einmal Vor-Ort-Apotheke mit einem dringend benötigtem Antibiotikum, dann wieder Shop-Apotheke, Shop-Apotheke, dann ein dringend benötigtes Schmerzmittel vor Ort.“
Ein Nachteil des Arzneimittelversands sei, dass es kein bundesweites Filialnetz gebe, um Patientinnen und Patienten sofort zu versorgen, wenn etwas dringend benötigt werde. „Also ist es de facto nicht möglich, gleiche Bedingungen zu schaffen. Versandhändler sind und bleiben Rosinenpicker, was ja auch der geringe Personalschlüssel beweist. Dennoch schaut die Politik tatenlos zu, wie die wohnortnahe Struktur ‚Salamitaktik-mäßig‘ ausgehöhlt wird.“
Die zentrale Frage sei: „Was für eine Versorgung der Patienten wollen wir?“. Am Ende seien es etwa 10 Prozent der Kundschaft, die besonders vulnerable Gruppen, „die bei der digitalen Variante auf der Strecke bleiben. Doch gerade diese Gruppe mache im Alltag bis zu 50 Prozent der Arbeit aus. „Das sieht aber niemand, außer denjenigen, die die Arbeit machen.“
Die Apothekerin kritisiert die Reaktion der Versender auf das BGH-Urteil: Der Chef von Shop Apotheke feiert sich seit dem Gerichtsurteil als großer Versorger in Deutschland.“ Ein Blick in den Shop offenbare jedoch, dass es nur um Umsatz gehe – wenn man etwa die Sonderangebote für Nasensprays auch bei Tropfen für Kinder betrachte. „Während wir vor Ort dafür kämpfen, dass der Patient lieber nicht so viel Nasenspray konsumiert.“
Generell sei der Ansatz mit Blick auf die Preisbindung richtig, gleiche Bedingungen für ausländische Versandhändler und öffentliche Apotheken zu schaffen. Dabei müsse jedoch auch die Logistik und etwa die Temperatur beim Transport berücksichtigt werden. „Erst neulich hat ein Bekannter Augentropfen beim Versandhandel bestellt, diese wurden durch DHL in die Sonne in seinem Innenhof bei knapp 40 Grad gelegt, wo er sie zufällig nach einem Tag entdeckt hat.“
Leischner ist überzeugte Inhaberin, seit Jahrzehnten selbstständig und investierte zuletzt in einen neuen Standort. „Wir wollen in Ruhe unsere Arbeit machen und auch ein wenig mehr Wertschätzung insbesondere für unsere fleißigen Mitarbeiter seitens der Politik würde ich mir wünschen. Über 20 Jahre ausschließlich von Kannibalismus leben zu müssen, ohne Inflationsausgleich, das ist unwürdig.“