In deutschen Pflegeheimen werden aus Sicht der AOK zu viele Bewohner:innen mit Tabletten ruhiggestellt. So hätten viele der Patient:innen eine Dauerverordnung von Benzodiazepinen, Benzodiazepin-Derivaten und sogenannten Z-Substanzen. Bundesweit liegt der Anteil laut dem jüngsten „Qualitätsatlas Pflege“ der Kasse bei 7,14 Prozent – das ist jede:r 14. Bewohner:in mit einer solchen Medikation.
Diese Arzneimittel wirken kurzfristig schlaffördernd, beruhigend und angstlösend. Nach vier Wochen seien diese Effekte aber nicht mehr gegeben, so die AOK in ihrem Bericht. Bei langfristiger Gabe drohten Abhängigkeit, erhöhte Sturzgefahr sowie das Auftreten von Angst und Depressionen.
„In Deutschland zählen diese Wirkstoffe zu den häufigsten potenziell inadäquat verschriebenen Medikamenten für ältere Menschen“, erklärte Susann Behrendt vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WidO). „Aktuelle Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen speziell in Pflegeheimen davon betroffen sind, lagen bisher kaum vor. Mit unserer Auswertung sorgen wir hier für mehr Transparenz. Seit der ersten Veröffentlichung dieser Daten stellen wir nur einen geringen bundesweiten Rückgang fest. So ist der Anteil der Dauerverordnungen von 8,17 Prozent im Jahr 2017 auf 7,33 Prozent im Jahr 2022 und zuletzt auf 7,14 Prozent im Jahr 2023 gesunken.“
Regional habe es gravierende Unterschiede gegeben: Im Saarland gab es in den Heimen 2023 mit 15,88 Prozent der Bewohner:innen mit einer solchen Medikation – doppelt so hoch wie im bundesweiten Schnitt. Den geringsten Wert zeigte Sachsen-Anhalt – hier lag der Verordnungsanteil bei nur 2,90 Prozent. Eine erhöhte Dauergabe von Ruhigstellern hänge häufig mit einer knappen Personaldecke zusammen.
Die Daten stammen aus dem Jahr 2023 und beruhen auf AOK-Routinedaten und damit ausschließlich auf Verordnungen, bei denen die Kostenerstattung über die Kasse erfolgte. Durch die Auswertung soll die Versorgungsqualität in Pflegeheimen bis auf Kreisebene transparent gemacht werden.
79,2 Prozent aller Pflegeheimbewohner:innen mit Diabetes haben überdies 2023 keine augenärztliche Vorsorge erhalten, wie es weiter heißt. „Dabei sehen die medizinischen Leitlinien eine regelmäßige Kontrolle der Augen vor, um frühzeitig Veränderungen der Netzhaut zu erkennen und irreversible Sehstörungen zu vermeiden“, so die AOK.
Auch sturzbedingte Krankenhausaufenthalte bei Pflegeheimbewohnenden, die Medikamente erhalten, die die Wahrscheinlichkeit für Stürze erhöhen (sogenannte FRIDs), wurden betrachtet. Antidepressiva, Antipsychotika, Hypnotika/Sedativa oder auch Benzodiazepine und Anxiolytika können das ohnehin schon hohe Sturzrisiko von älterer, multimorbiden Menschen noch weiter erhöhen, betont der Bericht.
2023 wurde mit 16,23 Prozent mehr als jede sechste Person, die im Pflegeheim FRIDs erhielt, sturzbedingt im Krankenhaus versorgt – seit 2017 ist der Wert nahezu konstant.
Laut der Vorstandsvorsitzenden Dr. Carola Reimann will die AOK man die Betrachtung ausweiten: „Die Auswertungen machen deutlich, wie sinnvoll und wichtig es ist, mithilfe der Routinedaten von Kranken- und Pflegekassen Probleme in der Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe transparent zu machen. Diese Schnittstellen zwischen Langzeitpflege und Gesundheitsversorgung werden ansonsten kaum systematisch beleuchtet. Das WIdO arbeitet aktuell an der Weiterentwicklung des Verfahrens, damit wir noch mehr Transparenz in die Versorgung vor Ort bringen können. Unser Ziel ist es, den einzelnen Pflegeheimen ihre einrichtungsbezogenen Ergebnisse zur Verfügung zu stellen, damit die Verantwortlichen noch zielgenauer ansetzen können.“
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