Während sich die deutsche Wirtschaft insgesamt nur langsam erhole, zeige sich die Pharmaindustrie robust: Laut des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) baue die Branche Beschäftigung auf, investiere überdurchschnittlich und halte ihre Forschungsaktivitäten auf hohem Niveau – trotz der Unsicherheiten im internationalen Handel.
„Deutschland steckt in einer strukturellen Krise“, sagt Dr. Claus Michelsen, Chefvolkswirt des vfa. „Fehlende Investitionen, eine zu schwache Innovationskraft, hoher Bürokratieaufwand und der Fachkräftemangel schwächen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und stehen dem Aufschwung im Weg.“
Auch die globale Konjunktur steht dem vfa zufolge unter Druck. Die Einführung und Ankündigung von US-Importzöllen sowie geopolitische Spannungen bremsten den Welthandel deutlich. Für 2025 erwartet der vfa nur noch ein Wachstum der Weltwirtschaft von 2,6 Prozent, für das kommende Jahr von 2,3 Prozent.
Neben den geopolitischen Spannungen drohe der deutschen Industrie eine erneute Belastung durch Engpässe bei Halbleitern. Der vfa erläutert, der Ausfuhrstopp beim Hersteller Nexperia zeige, wie stark strategische Abhängigkeiten die Produktion empfindlicher Branchen – insbesondere der Automobilindustrie – beeinträchtigen können. Der Verband führt aus, in einer Szenarioanalyse werde deutlich, dass ein Einbruch der Automobilproduktion – je nach Verlauf der Krise – die deutsche Wirtschaft erneut in die Rezession drücken könne. „Selbst kurzfristige Produktionsstopps könnten das Wachstum im Schlussquartal 2025 deutlich mindern“, so der Verband.
Gegen den allgemeinen Trend sei die Pharmaindustrie eine der wenigen Branchen, die wachse. Laut vfa steige die Beschäftigung 2025 leicht um 0,2 Prozent und 2026 um 1,1 Prozent. Die Investitionen wüchsen gegen den Trend um 2,7 Prozent (2025) und 3,0 Prozent (2026); die Produktion lege 2025 um 3,2 Prozent und 2026 um 1,0 Prozent zu, prognostiziere der vfa.
Besonders stark investierten die Unternehmen demnach in Forschung und Entwicklung sowie in neue Produktionsanlagen in Deutschland. „Die Pharmaindustrie ist einer der wenigen industriellen Sektoren, die Beschäftigung aufbauen und in Innovationen sowie Hightech-Anlagen investieren“, so Michelsen weiter.
Eine besondere Herausforderung stelle zudem die US-Handelspolitik dar. Der US-Markt sei mit rund 25 Prozent der Arzneimittelexporte der wichtigste Absatzmarkt für die deutsche Pharmaindustrie, erklärt der vfa. Im Raum stünden Zölle von bis zu 15 Prozent auf pharmazeutische Produkte. Dies würde die Branche empfindlich treffen, warnt der Verband.
„Die USA sind der wichtigste Markt der Branche. Handelshemmnisse würden die global aufgestellte Pharmaindustrie vor erhebliche Herausforderungen stellen. Jetzt kommt es darauf an, dass Deutschland und Europa ihre Standortvorteile stärken. Das geht vor allem, indem sie den eigenen Markt weiterentwickeln und die Kosten des Standorts senken – unter anderem durch Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungen und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Innovationen und dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Die Pharmabranche zeigt, dass Wachstum und Investitionen auch in schwierigen Zeiten möglich sind – wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, so Michelsen.
„Wie zentral die Sicherung industrieller Souveränität und der Zugang zu Schlüsseltechnologien für die Resilienz des Standorts Deutschland und Europa sind, zeigt zudem die Abhängigkeit von wichtigen Bausteilen wie Chips für die Automobilindustrie“, erklärt Michelsen.
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