Mycare vs. DocMorris & Shop Apotheke

Rx-Boni: „In Deutschland verboten, vom Versand ausgenutzt“

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Berlin -

Die umstrittene Praxis von Versendern, verschreibungspflichtige Medikamente mit Rabatten und Gutscheinen zu bewerben, hatte zuletzt eine Abmahnung gegen DocMorris durch die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) zur Folge. Auch Apotheker Martin Schulze von Mycare zeigt klare Kante: Er warnt eindringlich vor den rechtlichen, wettbewerblichen und gesundheitspolitischen Risiken solcher Marketingaktionen – und fordert einheitliche Regeln zum Schutz von Patientensicherheit und fairer Marktbedingungen.

Niederländische Versender machen immer wieder mit umstrittenen Rabattaktionen für Rx-Arzneimittel auf sich aufmerksam. So wirbt DocMorris aktuell mit Rabatten von bis zu 15 Euro pro Rx-Medikament. Zuvor wurden Kundinnen und Kunden mit einem 25-Euro-Gutschein pro eingelöstem E-Rezept gelockt. Solche Praktiken werfen nicht nur Fragen zur rechtlichen Zulässigkeit auf, sondern stellen auch die Fairness im Wettbewerb und die Sicherheit der Patienten infrage, stellt Schulze klar.

„Während bei frei verkäuflichen Gesundheitsprodukten Preisaktionen ein übliches Mittel der Kundenansprache darstellen, ist bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln höchste Zurückhaltung geboten“, erklärt er. Denn hier stehe nicht der Markt, sondern die medizinische Notwendigkeit im Vordergrund: „Entsprechend sind Werbeaktionen in diesem sensiblen Bereich auch gesetzlich untersagt.“ Diese klare Trennung schütze nicht nur die Patientensicherheit und Therapietreue, sondern sei auch ein wesentlicher Pfeiler eines fairen und verlässlichen Gesundheitssystems, so der Apotheker.

EU-Versender machen sich angreifbar

Und dennoch: Große internationale Anbieter starten wiederholt Marketingaktionen, bei denen Betrachter:innen vor allem eines hängen bliebe: „Ich bekomme Geld, wenn ich mein Rezept dort einlöse“, so Schulze. Dass diese Praxis nicht nur irreführend, sondern auch juristisch angreifbar sei, zeigen aktuelle Urteile. „Der Europäische Gerichtshof am 27. Februar entschieden, dass Gutscheine, die nach der Einlösung eines Rezepts für weitere Käufe gewährt werden, sehr wohl unter das Heilmittelwerbegesetz fallen – und somit verboten werden können, wenn sie den Verbrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel fördern“, erklärt Schulze.

Und weiter: „Das Landgericht Freiburg hat sich dieser Auslegung angeschlossen und DocMorris per einstweiliger Verfügung untersagt, mit einem 25-Euro-Rabatt für die Einlösung eines E-Rezepts zu werben. Auch wenn der Rabatt unmittelbar im selben Bestellvorgang eingelöst wird, handelt es sich rechtlich um einen nachfolgenden Erwerb – und damit um eine unzulässige Werbegabe“, so Schulze.

Tatsächlich gebe es mehrere strukturelle Gründe, warum internationale Anbieter – insbesondere mit Sitz in den Niederlanden – trotz eindeutiger gesetzlicher Vorgaben seit Jahren mit Gutscheinaktionen oder Bonusprogrammen werben können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. „Während deutsche Apotheken dem Heilmittelwerbegesetz unterliegen, berufen sich ausländische Versandapotheken auf die EU-Dienstleistungsfreiheit. Grundlage dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2016, das es EU-ausländischen Anbietern erlaubt, rezeptpflichtige Medikamente nach Deutschland zu liefern, ohne an nationale Preisbindungen oder Werbebeschränkungen gebunden zu sein.“

Durchsetzung kompliziert

Auch der Bundesgerichtshof habe dieses Prinzip in einem aktuellen Urteil vom 17. Juli bestätigt: „Demnach gilt die deutsche Arzneimittelpreisbindung nicht für EU-Versandapotheken, die nach Deutschland liefern“, so Schulze. „Was hierzulande verboten ist, bleibt ihnen also weiterhin erlaubt“, ärgert er sich. Gleichzeitig haben weder BGH noch der EuGH bislang abschließend geklärt, wie die Arzneimittelpreisverordnung im Rahmenvertrag nach deutschem Sozialgesetzbuch tatsächlich durchgesetzt werden kann. „Dieser verpflichtet EU-Versandapotheken, bei der Abrechnung gesetzlicher Kassenrezepte die deutschen Preisvorgaben einzuhalten – Rabatte, Boni oder Zuzahlungserlässe wären damit eigentlich unzulässig“, stellt er klar.

Doch selbst bei klaren Rechtsverstößen sei die Durchsetzung kompliziert: „Für internationale Anbieter sind in erster Linie die Aufsichtsbehörden im jeweiligen Herkunftsland zuständig. Verfahren gegen sie müssen meist dort geführt werden – ein aufwendiger, langwieriger und kostspieliger Prozess mit ungewissem Ausgang“, sagt Schulze. „Entsprechend selten werden Verstöße überhaupt geahndet.“

Parallel dazu würden Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen kaum eingreifen. „Selbst dann nicht, wenn ausländische Anbieter gegen deutsche Preisvorgaben verstoßen“, so Schulze. Versandapotheken wie DocMorris würden diese Lücke gezielt nutzen. „Neben dem bekannten 25-Euro-Gutschein werden teils sogar bis zu 15 Euro Rabatt pro verschreibungspflichtigem Medikament gewährt, auch bei Kassenrezepten. Diese Rabattpraxis unterläuft nicht nur die Preisbindung, sondern auch das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Die Realität zeige: „Was in Deutschland aus guten Gründen verboten ist, wird von internationalen Wettbewerbern systematisch ausgereizt und bislang kaum sanktioniert“, so der Apotheker.

Strukturelles Ungleichgewicht

Gleichzeitig würden internationale Versandapotheken von einer starken Lobbypräsenz auf EU-Ebene profitieren. Will heißen: „Sie positionieren sich als digitale Vorreiter im Gesundheitswesen – und genießen dadurch politischen Rückhalt, der nationalen Anbietern verwehrt bleibt“, so Schulze. Hinzu komme, dass Gerichte bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zunehmend zu verbraucherfreundlichen Urteilen tendieren würden. „Gutscheinmodelle und Rabattsysteme, die deutschen Apotheken aus gutem Grund untersagt sind, erhalten so indirekt juristische Legitimität“, erklärt er.

Die Folge sei ein strukturelles Ungleichgewicht, das bewusst ausgereizt werde. „Zum Nachteil all jener Anbieter, die sich an geltende Regeln halten“, so Schulze. „Dass dieser Missstand seit Jahren bekannt ist und dennoch nicht behoben wird, wirft grundlegende Fragen zur Fairness und Wettbewerbsfähigkeit im deutschen Apothekenmarkt auf“, sagt er.

„Aus unserer Sicht ist es daher längst überfällig, auf diese strukturellen Missstände aufmerksam zu machen und für alle Marktteilnehmer endlich klare, einheitliche und durchsetzbare Regeln zu schaffen.“ Denn: „Nur wenn alle Beteiligten denselben Rahmenbedingungen unterliegen, kann das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in eine sichere, gerechte und verlässliche Arzneimittelversorgung langfristig gewährleistet werden“, fordert er.

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