Die Politik schaut zu, und wer für Recht und Ordnung kämpft, wird bestraft: Seit Jahren kämpft die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) gegen die Rx-Boni von DocMorris. Und jetzt sieht es so aus, als ob der Versender auch noch Schadenersatz geltend machen kann. Die Politik verrät die Preiswächter, kommentiert Patrick Hollstein.
Seit mehr als zehn Jahren kämpft die AKNR an vorderster Front darum, für ein Mindestmaß an Recht und Ordnung in der Gesundheitsversorgung zu sorgen. Obwohl es gar nicht zu ihren originären Aufgaben als Kammer gehört, Preisbrechern und Rezeptmaklern vor und hinter der Grenze das Handwerk zu legen, zieht die Standesvertretung aus Düsseldorf in jede erforderliche Auseinandersetzung. Die Quittung dafür droht ihr jetzt: Weil sich die von verschiedenen Gerichten erlassenen einstweiligen Verfügungen gegen DocMorris nach dem EuGH-Urteil in Luft aufgelöst haben, muss die Kammer jetzt womöglich Schadenersatz zahlen. Es geht um Millionenbeträge.
Noch ist unklar, was das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) prüfen soll. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in der mündlichen Verhandlungen die Frage nach der Präsenzapotheke noch einmal gestellt, zu der das OLG zuvor aus seiner Sicht unzureichend rechercheriert hatte. Vielleicht wird der Fall noch einmal komplett neu aufgerollt, der Ausgang bleibt bestenfalls ungewiss.
Schon jetzt zeigt sich aber, dass es gefährlich werden kann, sich mit den Großen anzulegen. An Mut und Kompetenz fehlt es der AKNR ganz sicher nicht, aber am erforderlichen Rückhalt im System. Der BGH wirft vielleicht noch einmal einen Rettungsring hin, mehr aber auch nicht. Grund dafür, dass es falsch sein kann, für das Richtige zu kämpfen, ist vor allem die Tatenlosigkeit der Politik.
Viel zu lange hat sich der Gesetzgeber herausgehalten und es den Gerichten überlassen, für ihn unbequeme Themen aus dem Weg zu räumen. Die Quittung dafür bekommen wir längst: Immer neue Umgehungskonstrukte werden gesucht und gefunden, immer mehr Grundregeln werden außer Kraft gesetzt. Und immer mehr Geld wird aus dem Gesundheitssystem in dubiose Strukturen umgeleitet.
Wie lange soll das noch so weitergehen? Wie lange will die Verwaltung noch zuschauen, wie der von ihr gesetzte Ordnungsrahmen unterminiert wird? Wie lange wollen die Kassen es noch bei Schadenfreude über die Not der Apotheken belassen, wenn aus ihren Mitteln Jagd auf Patientinnen und Patienten gemacht wird? Und wie lange will der Staat noch die Löcher in der GKV stopfen, statt dafür zu sorgen, dass die Mittel dort ankommen, wo echte Versorgung gewährleistet wird? Und zu guter Letzt: Wie lange müssen die Leistungsträger im System ihren Kopf noch dafür hinhalten, dass die Verantwortlichen ihren Job nicht machen? Es braucht kein Spargesetz mehr, um das Apothekensterben am Laufen zu halten.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte schon vor Monaten beherzte Maßnahmen angekündigt, ist aber seitdem die Antwort schuldig geblieben, wie der einheitliche Abgabepreis wiederhergestellt werden kann. Wie hilflos, ja geradezu zynisch man im Ministerium mit dem Thema umgeht, zeigt ein Blick in den aktuellen Entwurf zur Apothekenreform: Demnach sollen Kassen und Apotheker künftig zu gleichen Teilen haften, wenn sie ungerechtfertigte Strafgelder wegen Verstößen gegen die Preisbindung verhängen. In den vergangenen Jahren wurde aus Sorge vor Schadenersatzforderungen noch nicht ein einziger Fall geahndet, die Neuregelung dürfte kaum einen Anreiz bieten. Doch solange es bei solchen Manövern bleibt, können DocMorris & Co. ungestört weitermachen. Im Zweifel haften schließlich die Anderen.