Pharmahandelskonzerne

Phoenix fasst die Leine enger

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Wer in diesen Tagen die Konzernspitze von Phoenix treffen will, muss nicht nach Mannheim, sondern nach Schweden fahren. Seit Mittwoch tagen die Führungskräfte in Stockholm, neben der Geschäftsführung sind bis Freitag leitende Angestellte aus allen 23 Ländern vor Ort. Unter den 90 Teilnehmern sind auch der Vorsitzende des Beirats, Dr. Bernd Scheifele, und Ludwig Merckle als Vertreter der Eigentümerfamilie. Nach der Krise werden die Manager auf eine neue Einigkeit eingeschworen.

In der Vergangenheit konnten die Landesgesellschaften weitgehend autark agieren. Der im Januar 2009 verstorbene Firmenpatriarch Adolf Merckle hatte, unter der Leitung von Scheifele als Konzernchef, die einzelnen Unternehmen über die Jahre zusammengekauft und den Managern viele Freiheiten gelassen. Selbst die Marke Phoenix wurde nicht allen Großhändlern übergestülpt, eine europaweite Apothekenmarke wäre vermutlich undenkbar gewesen.

Innerhalb des Konzerns wurde diese Autonomie regelrecht gepflegt - mitunter auch gegen allgemein übliche Führungsgrundsätze: Aufsichtsratschef des skandinavischen Teilkonzerns Tamro etwa war bis vor kurzem nicht Phoenix-Chef Reimund Pohl, sondern dessen Vorgänger Scheifele. Der sitzt aber seit seiner Abberufung zu HeidelbergCement im Kontrollgremium des Mutterkonzerns und musste damit genau genommen die eigene Kontrollarbeit kontrollieren.

Möglicherweise spielten bei dieser Konstruktion auch persönliche Gründe eine Rolle: Die geschickt eingefädelte Übernahme von Tamro ab dem Jahr 2000 gilt als eines der Meisterstücke von Scheifele - ein Prozess gegen die Merckle-Familie wegen mutmaßlicher börsenrechtlicher Verstöße wurde 2009 wegen Verjährung eingestellt.


In der Krise hatte die dezentrale Struktur ihre guten Seiten: Im Zweifelsfall wäre Tamro als besonderes Filetstück des Konzerns teuer verkauft worden; Interessenten aus der Branche als auch aus Finanzkreisen gab es offenbar genügend. Doch dann reichte der 3,6 Milliarden Euro schwere Scheck, den Teva für Ratiopharm ausstellte, um das Merckle-Imperium und damit Phoenix vor dem Kollaps zu retten.

In der neuen Welt wird bei Phoenix jetzt offenbar von oben durchregiert. Scheifele gab unlängst sein Mandat bei Tamro ab, auch die drei finnischen Vertreter verließen den Aufsichtsrat und machten Platz für die Spitzenmanager aus Mannheim. Wichtige Entscheidungen werden dem Vernehmen nach jetzt in Deutschland getroffen, die Geschäftsführung in Vantaa bei Helsinki verliert an Einfluss.

Ob und wie eine zentrale Organisationsstruktur bei Phoenix nach gut 20 Jahren Truppentaktik funktionieren kann, wird sich zeigen. Für eine engere Bindung spricht immerhin, dass gerade bei den selbstbewusstesten Landesgesellschaften derzeit ein Generationenwechsel stattfindet. In Finnland etwa oder in den Niederlanden - wo Phoenix vor einem Jahr die Apothekenkette von Celesio in Obhut nahm - haben sich langjährige Unternehmenschefs und Merckle-Vertraute kürzlich in den Ruhestand verabschiedet. Ein Szenario, dem sich allerdings auch die Konzernspitze vielleicht schon bald stellen muss: Wie in der Branche gemeinhin üblich, will Pohl mit 60 Jahren aufhören. Im kommenden Jahr ist es soweit. Dann könnte, nach Celesio und Alliance Boots, auch Phoenix einen neuen Konzernchef suchen müssen.

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