Interview Sanacorp

„Es wird eine neue Großhandels-Währung geben“

, Uhr

Als einer der ersten Großhändler hatte die Sanacorp im vergangenen Jahr auf das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) reagiert und Konditionenanpassungen angekündigt. Mit Transparenz und einer „Fairness-Garantie“ wollte die Genossenschaft ihre Kunden überzeugen; trotzdem gab es Umsatz- und Ertragseinbußen. Mit APOTHEKE ADHOC sprach Sanacorp-Chef Dr. Herbert Lang über die Belastungen des AMNOG, die Gegenmaßnahmen der Sanacorp und die neuen Konditionenmodelle im Pharmagroßhandel.

ADHOC: Wieso ist die Sanacorp in die roten Zahlen gerutscht?
LANG: Durch das AMNOG hat sich die Ertragssituation im Großhandel so stark verschlechtert, dass wir die Auswirkungen durch innerbetriebliche Maßnahmen nicht vollständig kompensieren können. Wir haben auch keine Belastungen durchgereicht. Als Apothekerunternehmen haben wir versucht, saubere, faire und transparente Konditionen zu gestalten. Das erkennen viele unserer Kunden auch an. Aber natürlich ist Wettbewerb ein dynamischer Prozess, dem wir uns stellen müssen.

ADHOC: Sie sprechen von betriebswirtschaftlich kaum zu rechtfertigenden Rabatten. Fällt es Ihnen schwer, in den Verhandlungen mit den Apotheken „Nein“ zu sagen?
LANG: Wir bewegen uns in einem engen Markt. 90 Prozent unserer Aufwendungen sind Fixkosten. Das bedeutet, dass der Umsatz direkt auf den Ertrag durchschlägt. Jeder zusätzliche Euro zählt. Wenn dann noch dazu Überkapazitäten vorhanden sind, geht es ganz schnell reihum am Markt. Rabatte sind zwar nicht alles, aber ohne Rabatte läuft es eben nicht.

ADHOC: Die Apotheken klagen über eine Verschlechterung bei den Konditionen.
LANG: Ich habe wiederholt öffentlich darauf hingewiesen, dass die geforderten Einsparungen für Großhandel und Apotheken absolut unverhältnismäßig sind. Leider hat die Politik nicht den Mut öffentlich einzuräumen, dass ihre Maßnahmen strukturverändernde Wirkung haben werden: im Großhandel und bei den Apotheken.

ADHOC: Was heißt das für den Großhandel?
LANG: Der Markt würde ohne Großhandel gar nicht funktionieren. Es sollte im Interesse der Politik, insbesondere der Standespolitik und der Apotheken sein, dass die Leistungsfähigkeit des Großhandels erhalten bleibt. Leider verhalten sich derzeit nicht alle Marktteilnehmer dementsprechend. Derzeit ist die Luft definitiv draußen und jede weitere Kürzung beim Großhandel - ob durch Politik oder Industrie - wird daher zwangsläufig bei den Apotheken landen.

ADHOC: Als Gebühr für Leistungen?
LANG: Das kann auch in Form einer Gebühr für besondere Leistungen stattfinden. Wenn die Sanacorp das Service-Niveau unverändert aufrechterhalten soll, dann brauchen wir entweder bestimmte Umsätze beziehungsweise Packungen - oder die Kunden müssen im Einzelfall auch für die Inanspruchnahme spezieller Leistungen bezahlen. Ein Beispiel: Ein Kunde macht mit uns 5.000 Euro Umsatz pro Monat, reicht aber gleichzeitig 43 Spezialanfragen bei unserer Dokumentation ein. Da müssen wir steuernd eingreifen. Gleiches gilt für eine Stadtapotheke, die von uns bis zu sechsmal täglich angefahren werden möchte. Auch da macht eine Tourengebühr als Steuerungsinstrument Sinn. Gerade auch mit Blick auf diejenigen Mitglieder, die zum Ertrag der Sanacorp maßgeblich beitragen.


ADHOC: Wie geht es im kommenden Jahr weiter?
LANG: Für 2012 verlangt uns der Gesetzgeber schon wieder eine Neuordnung unserer Geschäftsbeziehungen ab. Ab Januar gilt ein neues Vergütungsmodell für den Großhandel, das unter anderem einen Fixzuschlag pro Packung in Höhe von 70 Cent beinhaltet. Die Anzahl der gelieferten Packungen gewinnt damit im Vergleich zum Wert erheblich an Bedeutung. Das heißt, wir haben eine vollkommen veränderte ökonomische Betrachtungsweise. Über viele Jahrzehnte haben Apotheken und Großhandel sich daran gewöhnt, dass vor allem der Umsatz zählt. Die hochpreisigen Produkte trieben den Umsatz. Jetzt wird jede einzelne Packung zum Ertragsbringer. Es wird gewissermaßen eine neue Währung im Großhandel geben, die „Schachtelwährung“.

ADHOC: Was heißt das für die Konditionen?
LANG: Die Konditionenmodelle werden sich an die neue Vergütungsstruktur des Großhandels anpassen. Die Referenzbasis für Konditionen wird künftig die Zahl der Packungen sein beziehungsweise der durchschnittliche Packungswert. Alles andere kann in der neuen Welt nicht mehr kalkuliert werden.

ADHOC: Werden die Konditionenmodelle der verschiedenen Großhändler für die Apotheken vergleichbar sein?
LANG: Das kann ich nicht sagen, aber Ziel der Sanacorp wird es jedenfalls sein, das Grundgerüst zu erhalten und dieses um die neuen Komponenten zu ergänzen.

ADHOC: Wie wollen Sie verhindern, dass die Apotheken ins Direktgeschäft abwandern?
LANG: Das Direktgeschäft verschärft die derzeit unbefriedigende Situation im Pharmagroßhandel dramatisch, das ist nicht zu bestreiten. Deshalb sollte das neue Vergütungsmodell verstärkt Anreize bieten, gerade Schnelldreher über den Großhandel zu bestellen. Damit bekämen Apotheken die Möglichkeit, mit Niedrigpreisern ihre Konditionen zu optimieren. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass viele Apotheken ohnehin am liebsten beim Großhandel bestellen: Alles andere ist schließlich viel zu aufwändig.

ADHOC: Wie wird sich die Sanacorp entwickeln?
LANG: Wir gehen davon aus, dass wir nächstes Jahr wieder eine vernünftige Rendite erwirtschaften werden. Das Ergebnis für 2011 hängt davon ab, wie sich das letzte Quartal entwickelt. Das ist derzeit noch nicht endgültig absehbar. Aber dass es unter dem Strich kein gutes Jahr wird, ist uns allen klar. Das konnte es angesichts der gesetzgeberischen Eingriffe auch nicht werden.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Anlaufstellen ausbauen, Tabus abbauen
Lauterbach will Suizide verhindern
Cannabisordnungswidrigkeitenverordnung
NRW: Cannabiskontrollen durch Ordnungsämter

APOTHEKE ADHOC Debatte