Die Überwachung von Angestellten mit Kameras ist ein heikles Thema. Denn kaum einer wird gerne gefilmt, auch wenn er seiner Arbeit ordnungsgemäß nachgeht. Die Videokontrolle am Arbeitsplatz ist deshalb strengen Regeln unterworfen und nur unter bestimmten Umständen erlaubt. Bei DocMorris in Heerlen entdeckte ein Angestellter per Zufall eine versteckte Kamera in einem Mülleimer. Schockiert berichtete er dem Betriebsrat davon, doch dann wurde er zum Logistikchef zitiert. Beim Konzern rechtfertigt man das Vorgehen.
DocMorris ist ein Konzern mit rund 1600 Angestellten in Europa. In Heerlen betreibt der Versender ein Logistikzentrum. Die Mitarbeiter arbeiten dort in mehreren Schichten. Tausende von Packungen müssen sortiert, umverpackt und für den Versand fertiggemacht werden. Dabei ist es nicht unüblich, dass Kameras die Prozesse überwachen, um Fehler etwa in der Automatisierung schnell feststellen zu können.
Weil ein Bürostuhl im Flur die Arbeit behinderte, schob der Angestellte diesen in einen Nebenraum. „Der stand im Weg“, sagt er. Dort fiel ihm ein „Loch“ in einem Mülleimer auf, dann ein Kabel und ein Licht. „Ich bin immer da und da bemerkt man, wenn etwas anders ist.“ Er sah nach und entdeckte am Boden des Papierkorbs eine Kamera. Für die Linse wurde eigens ein Loch in den Papierkorb geschnitten, um ein freies Sichtfeld zu schaffen.
Der Mitarbeiter war schockiert. „Ich dachte erst, das hätte ein anderer Mitarbeiter gemacht und habe dem Betriebsrat davon erzählt“, sagt er. Im Anschluss sei er zum Logistikchef gerufen worden. „Dort wurde es erstmal abgestritten und ich wurde unter Druck gesetzt“, sagt er. In ihm reifte die Erkenntnis, dass die Kamera von DocMorris selbst stammen musste. Später wurde noch in einem Schaltkasten ein auffälliges Loch entdeckt.

Vor der Belegschaft rechtfertigte sich das Management später in einer mündlichen Einlassung dazu. Verschiedene Teamleitungen hätten eine Stellungnahme vorgelesen, in der die Gründe für die Überwachung erklärt wurden, sagt er Mann. Angeblich ging es um den Verdacht, dass heimlich in Räumen geraucht werde. Aus Sicherheitsgründen wollte man dem ein Ende bereiten. Es soll noch weitere Kamera gegeben haben. Der Angestellte sah, dass ein Kollege nach der Entdeckung beschäftigt war, an verschiedenen Orten „Aufzuräumen“.
Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die heimliche Videoüberwachung sei grundsätzlich nicht erlaubt, sagt Professor Dr. Michael Fuhlrott. Nur wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwere Pflichtverletzung oder eine Straftat bestehe, dürfe für eine bestimmte Zeit, wie einen Tag, eine heimliche Überwachung stattfinden, so der Fachanwalt für deutsches Arbeitsrecht. Wenn eine Videoüberwachungsanlage im Einsatz ist, muss der Arbeitgeber die Betroffenen darauf hinweisen etwa durch ein gut lesbar angebrachtes Schild. Nach deutschem Recht könne durch Mitarbeitende auch Schadenersatz wegen der Verletzung der Persönlichkeitsrechte eingefordert werden.
Auch die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) spielt in dem Fall eine Rolle. Die Persönlichkeitsrechte dürften nicht verletzt werden. Möglicherweise könne DocMorris eine Ermahnung oder ein Bußgeld drohen, sagt Fuhlrott. Die Verordnung gelte europaweit. „Das kann teuer werden“, so der Jurist. Ein Bekleidungskonzern etwa musste mehrere Millionen Euro zahlen, weil er Daten aus Mitarbeitergesprächen systematisch in Tabellen eingetragen hat.
Der Konzern rechtfertigt sein Vorgehen: „Bei DocMorris gelten in der Apotheke und darüber hinaus strenge rechtliche und organisatorische Sicherheits- und Qualitätsstandards“, sagt ein Unternehmenssprecher. „Leider kam es in Einzelfällen zu relevanten Verstößen gegen Verhaltensregeln. Wir haben daher zum Schutz aller Mitarbeitenden und des Unternehmens konsequent rechtskonforme Sicherungs- beziehungsweise Personalmaßnahmen getroffen.“ Aus Datenschutzgründen könne man sich nicht zu einzelnen Angestelltenverhältnissen äußern.
Der Mitarbeiter ist geschockt und fühlt sich unter Druck gesetzt. Erst der Verdacht, von Kolleginnen oder Kollegen ausgespäht zu werden. Dann die Erkenntnis, dass der Arbeitgeber heimlich filmte. Zu guter Letzt habe man ihm eine fristlose Kündigung ausgesprochen, weil er vor den Toren der Halle eine Zigarette geraucht habe.
Eigentlich war es nicht sein Plan, die geheimen Kameras der Öffentlichkeit mitzuteilen, wie er sagt. Doch er fühlt sich laut eigenen Angaben nicht Ernst genommen und wegen der Kündigung so unter Druck gesetzt, dass er kein anderes Mittel sah. Jetzt will er sich anwaltlich beraten lassen.