Interview Betapharm

Darwin und die Schublade des Apothekers

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Der viertgrößte deutsche Generikahersteller Betapharm gehört zu den Gewinnern der aktuellen AOK-Rabattrunde. Das Augsburger Unternehmen, das im vergangenen Jahr 210 Millionen Euro umgesetzt hat, sieht die Teilnahme als Pflichtveranstaltung für die Generikaunternehmen. Um den Anschluss nicht zu verlieren, setzt Betapharm auf die Kapazitäten des indischen Mutterkonzerns Dr. Reddy's. Geschäftsführer Michael Ewers erklärt im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC, wie ein Industriezweig das Umdenken lernt.

ADHOC: Herr Ewers, als deutscher Geschäftsführer eines internationalen Generikakonzerns erleben Sie derzeit die dritte AOK-Ausschreibung hautnah mit. Wie kalkuliert man als Hersteller heute seine Angebote?
EWERS: Wir sind ein wirtschaftendes Unternehmen, das es sich nicht leisten kann, Verluste einzufahren. Insofern können Sie davon ausgehen, dass jeder Abschluss mindestens eine schwarze Null ergeben muss. Sie dürfen aber auch die Position der AOK nicht unterschätzen: Bei den unglaublichen Marktanteilen der Kassen kann sich kein Unternehmen leisten, nicht teilzunehmen.

ADHOC: Sie wägen also zwischen Marktanteilen und Gewinnen ab?
EWERS: Bei den AOK-Verträgen geht es schon in erster Linie um Marktanteile, oder genauer, um den Platz, den man in der Schublade des Apothekers bekommt.

ADHOC: Welche Optionen bleiben denn einem Hersteller, um bei den Ausschreibungen mitzuhalten?
EWERS: Generika sind per se austauschbar, insofern ähnelt sich auch die Kostenstruktur. Alle Unternehmen müssen daher Effizienzreserven heben, so gut es geht. Wir produzieren immer mehr strategische Wirkstoffe bei unserem Mutterkonzern in Indien. Wir müssen das machen, sonst könnten wir keine erfolgreichen Angebote abgeben.

ADHOC: Aber jeder Generikahersteller kann in einem Niedriglohnland produzieren lassen.
EWERS: Natürlich, allerdings sind die Lohnkosten bei der hohen Automatisierung von untergeordneter Bedeutung. Für uns ist von Vorteil, dass wir unsere Fertigprodukte in Eigenproduktion herstellen, mit Wirkstoffen und Blistern. Unternehmen, die auf Lizenzen und Lohnhersteller setzten, haben es bei der Kalkulation sicherlich schwerer.

ADHOC: Wie sehen Sie denn die rechtlich Situation der Rabattverträge? Man hat den Eindruck, dass sich nach dem turbulenten Start vor zwei Jahren wenig geändert hat.
EWERS: Die Situation hat sich immer weiter verschärft. Vielen Unternehmen ist der Ernst der Lage bewusst. Es wird also sehr aggressiv geboten.

ADHOC: Und dann geklagt...
EWERS: Wir verhalten uns bei den Rechtsstreitigkeiten weitgehend neutral. Bei einer Handvoll Verfahren waren wir als Beigeladene anwesend, weil Regionallose betroffen waren, in denen wir einen Zuschlag erhalten haben. Ansonsten haben wir die Ausschreibung weder torpediert noch besonders gefördert.

ADHOC: Sie wollen die Krankenkassen nicht vergrellen?
EWERS: Natürlich nicht. Ärzte und Apotheker sieht die Industrie seit Jahren als Kunden. Krankenkassen waren bislang nur die Bezahler. Jetzt sind sie aber die Entscheider und damit die Kunden. Einige Hersteller nehmen die AOK aber als Gegner wahr und umgekehrt.

ADHOC: Wie sieht man bei Dr. Reddy's die Rabattverträge: als Tollhaus oder als Brecheisen für einen bislang abgeriegelten Markt?
EWERS: Perspektivisch sind die Rabattverträge auf jeden Fall begrüßenswert, weil sie den deutschen Markt für ausländische Firmen transparenter macht. Deutschland ist seit der Übernahme von Betapharm für Dr. Reddys eines der wichtigsten Länder, was Umsatz und Gewinn betrifft.

ADHOC: Investieren Sie denn noch in Ihre Marke?
EWERS: Das Rabattsystem kratzt natürlich erheblich an der Markenbedeutung. Der Vertrag bestimmt, was abgegeben wird, nicht die Marke. Wir müssen darauf achten, dass unsere Marke für Qualität, gesellschaftliche Verantwortung und hervorragende Angebote - über das Arzneimittel hinaus - steht. Das gilt auch für die Innenbetrachtung: Bei allen Veränderungen stehen die Mitarbeiter hinter der Marke, und das hilft auch, Herausforderungen besser als andere zu bewältigen.

ADHOC: Wie wird sich also der Markt entwickeln?
EWERS: Es wird eine Konsolidierung geben, bei Krankenkassen und Herstellern. Dann überlebt, wer sich am schnellsten und besten aus Sicht des Kunden anpassen wird. Darwin wird Recht behalten.

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