Dass es in Zukunft nur noch KI geben werde, das glaubt Marcus Diekmann, Chief Strategy, Digital und eCommerce Officer bei Sanicare, zwar nicht. Dennoch stünden durch die neue Technologie große Veränderungen in der Branche an, sagte er bei der Zukunftskonferenz VISION.A powered by APOTHEKE ADHOC, ARZ HAAN, PTA IN LOVE und APOTHEKENTOUR. Auch wenn Apotheken seiner Einschätzung nach nicht gänzlich von der Bildfläche verschwinden würden, schätzt er, dass vermutlich rund 10.000 Betriebe ausreichen werden, um in Zukunft die Versorgung zu sichern.
„Wir haben jetzt definitiv das Zeitalter erreicht, wo wir zum ersten Mal merken, dass die Leute deutlich weniger googeln und dass sie ChatGPT fragen oder Gemini oder andere AI-Lösungen nutzen“, so Diekmann. Wenn man wisse, wie man richtig frage, also richtig „prompte“, bekomme man extrem gute Antworten. Wer zudem wisse, wie man die Ergebnisse richtig hinterfrage und in den Kontext setze, erhalte sogar „unfassbar gute Antworten“. „Und das viel schneller“, fügte Diekmann an.
KI-Tools böten zudem immer mehr Komfort: Verschiedene Anbieter brächten nun Agenten an den Start, die die besten Angebote direkt heraussuchen. ChatGPT habe bereits angekündigt, einen eigenen Warenkorb an die Suche anzubinden, erklärte er. Zukünftig werde man vermutlich direkt über ChatGPT beispielsweise per PayPal bezahlen können – Beratung, Empfehlung, Angebot und Lieferung, alles in einem Tool.
„Der Wandel kommt, nur der Wandel lässt sich nicht mehr so lange Zeit“, erklärte er. In den nächsten fünf Jahren werde ein massiver Umbruch kommen, prophezeite er.
Bereits jetzt würde ChatGPT gute Ergebnisse liefern. Diekmann führte ein Beispiel an: „Ich habe gesagt: ‚Liebes ChatGPT, ich habe Schnupfen. Mir läuft die Nase. Was kann ich tun?‘“ ChatGPT habe dann gemeinsam mit ihm erarbeitet, was genau los sei, und Rückfragen gestellt. Nachdem er zusätzlich Druck auf den Nasennebenhöhlen angegeben hatte, sei ChatGPT auf das Präparat Sinupret gekommen. Zusätzlich habe die KI selbst vorgeschlagen, Nahrungsergänzungsmittel oder Zink einzunehmen, um das angeschlagene Immunsystem zu stärken, und viel Tee zu trinken. Auch bei der Frage, woher die vorgeschlagenen Sachen zu bekommen seien, habe ChatGPT zuverlässig unterstützt.
„In der ganzen Phase habe ich weder Google gefragt, noch habe ich unseren Apotheker bei Sanicare gefragt, sondern ich bin wirklich extremst gut beraten worden, alleine durch ChatGPT“, erklärte Diekmann. Zusätzlich könne ChatGPT zuverlässige Übersetzungen in verschiedenste Sprachen liefern.
Schon in fünf Jahren werde man nicht mehr in einen Online-Shop gehen und dort nach einer Google-Suche selbst ein Medikament heraussuchen und bestellen. Auch viele Gänge in die Apotheke würden wegfallen, weil man all das über diese Technologie, die in Zukunft natürlich noch viel besser werde, erledigen könne. „Dann wird man sagen, jetzt bestell mir das und bezahle das bitte mit Paypal oder meinem Checkout, sodass ich damit nichts zu tun habe. Liefere es mir einfach nach Hause.“
Sein Appell: „Wir müssen zusammen eine KI-App entwickeln, die datengesicherter ist als ChatGPT. Wo eine AI-First-Beratung komplett per App stattfindet, die Lieferung nach Hause angeboten wird und der Kunde das absolute Wahlrecht hat, ob er sich noch zusätzlich in der kompetenten Apotheke beraten lassen möchte“, appellierte er. Man dürfe sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, dass KI schlechter sei, denn es sei heute schon wirklich „Top-Beratung“ und werde von Jahr zu Jahr besser.
„Wir dürfen uns dem unter keinen Umständen verwehren, sondern wir müssen dieser Chance komplett offen begegnen“, betonte er. Um in fünf Jahren nicht abgehängt zu sein, müsse die Branche heute anfangen, die Technologie zu etablieren. Um sich gegen die großen Versender zu behaupten, müsse die Branche „zusammen die Kräfte bündeln“, erklärte er. „Ich glaube, dann schaffen wir das.“
Apotheken werden Diekmanns Meinung nach durch die neue Technologie nicht gänzlich obsolet. Allerdings erklärte er auf Nachfrage, dass durch KI-Beratung und -Tools wohl deutlich weniger Apotheken gebraucht würden. „Ich glaube, eine falsche Welt probiert, das aufrechtzuerhalten, was in der Vergangenheit notwendig war“, so Diekmann.
Auf eine Zahl, wie viele Apotheken es in der Fläche dann noch sein müssten, wollte er sich nicht genau festlegen. Er schätzt etwa 12.000 bis 10.000 Betriebe, das entscheide am Ende der Kunde. „Auf jeden Fall nicht so in der Menge. Aber vor allen Dingen braucht es die, die den Wandel mitgehen“, erklärte er. Das Modell der Apotheke müsse intern überdacht werden. Es gebe viele neue Felder, die die Apotheke noch nicht ausreichend bedienen würde, etwa im Hinblick auf Longevity, Nahrungsergänzungsmittel oder Hautpflege – also Beratungsqualität, die die Apotheken über den normalen Bedarf anbieten können. Wenn man so weitermache wie bisher, „dann reden wir über 10.000 Apotheken, die es noch braucht“.
Die gesamte Konferenz zum Nachschauen gibt es hier (ab 31:21):
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