Ungarn

Regierungskrise wegen Gesundheitsreform

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Der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány hat heute Gesundheitsministerin Agnes Horvath aus ihrem Amt entlassen. Der harte Schnitt könnte auch das Aus für die sozialliberale Regierung bedeuten: Während der Bund Freier Demokraten, der die unpopuläre Gesundheitsministerin gestellt hatte und deren Entlassung nicht hinnehmen will, das ungarische Gesundheitswesen weiter privatisieren will, ziehen die Sozialisten (MSZP) um Gyurcsány offenbar die Notbremse.

Gyurcsany forderte auf einem Parteikongress am Wochenende eine Abkehr von der nächsten Stufe der Gesundheitsreform. Demnach soll die staatliche Krankenversicherung OÉP zwar wie geplant regionalisiert werden; die regionalen Büros sollen aber nicht wie vorgesehen anteilig an private Investoren verkauft werden. Gyurcsány forderte seinen liberalen Koalitionspartner auf, die Koalitionsvereinbarung zu überdenken und gemeinsam einen neuen Gesundheitsminister zu bestimmen.

Die Situation innerhalb der Regierung ist extrem angespannt, seit sich vor einigen Wochen eine große Mehrheit der ungarischen Wähler in einer von der rechtskonservativen Oppositionspartei Fidesz herbeigeführten Volksabstimmung gegen Gebühren im Gesundheits- und Bildungswesen ausgesprochen hatte. Mit einer seit 2007 geltenden Praxisgebühr von umgerechnet 1,20 Euro pro Arztbesuch und Krankenhaustag sowie Studiengebühren von rund 85 Euro ab dem nächsten Wintersemester hatte die Regierung das defizitäre Gesundheitssystem und die staatlichen Universitäten sanieren wollen. Die Zuzahlungen zeigten bereits Wirkung: Rund 80 Millionen Euro waren im vergangenen Jahr in die Kassen gespült worden. Trotzdem sollen einem Eilbeschluss des Parlaments zufolge die Gebühren am 1. April wieder abgeschafft werden.

Die Gesundheitspolitik der ungarischen Regierung war in den vergangenen Jahren massiv in Kritik geraten. Kritiker werfen der Politik den „Ausverkauf des Gesundheitswesens“ vor. Alleine im Apothekenbereich hatte die Regierung durch die vollständige Liberalisierung von Besitz-, Niederlassungs- und Standesrechtsbestimmungen den Unmut der Leistungserbringer auf sich gezogen. Seit Anfang des Jahres sind OTC-Produkte nicht nur an Tankstellen und in Supermärkten, sondern auch an Automaten erhältlich.

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