Was der Großhandel nicht hat, könnte eine andere Apotheke noch haben: Auf diesem Gedanken beruht die von der Österreichischen Apothekerkammer (ÖAK) gestartete „Versorgungsplattform“. Apotheken, die sich am System beteiligen, können über die Kammer ein dringend benötigtes Medikament suchen – und hoffentlich im Lager einer anderen Apotheke finden. Die Plattform wird ohne wirtschaftliches Interesse auf freiwilliger Basis betrieben. Wenn Österreichs Apotheken zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen, profitieren davon die Kundinnen und Kunden. Ein Beitrag von TARA24.
Grundsätzlich soll die neue Versorgungsplattform zwei Ziele verfolgen: Die Kontrolle zur Abgabe staatlicher Ware, wie Paxlovid während der Corona-Pandemie, und die apothekenübergreifende Zusammenarbeit bei Lieferengpässen. Zu Letzterem gab es bereits einen Anlauf: Auch der „MediFinder“ sollte hier helfen. Die Ausgangsidee für die digitale Plattform war, für die Zahler und Auftraggeber staatlicher Ware, wie Gesundheitsministerium und ÖGK, eine Möglichkeit zu schaffen, jederzeit über die Verteilung und Lagerstände der jeweiligen Bundesware Bescheid zu wissen.
Das zweite Ziel ist aber ein viel realeres und für die meisten Apotheken tägliche – leidvolle – Praxis: Ein Medikament wird dringend benötigt, ist aber über den Großhandel aktuell nicht verfügbar. Die neue IT-Lösung bietet hier die Möglichkeit der „Nachbarschaftshilfe“ und unterstützt die Verfügbarkeitsprüfung von Arzneimitteln durch apothekenübergreifende Zusammenarbeit.
Viktor Hafner, Konzessionär der Linden Apotheke in Wien Hernals, konnte die neue Platform bereits einige Monate als Pilotbetrieb testen und ist von dem System begeistert: „Ich kann nur die Lanze dafür brechen. Das ist ein weiteres, sehr wichtiges Tool, damit wir unsere Patienten versorgen können.“ Das System beruht auf Freiwilligkeit; niemand wird gezwungen, den Zugriff auf sein Lager zu gewähren.
Der Schulterschluss der Apothekerschaft ist aber nicht nur ein sozialer Akt den Patient:innen gegenüber, sondern bringt auch Mehrwert für die Apotheke, die ihre Kundschaft bisher häufig wegschicken musste. „Oft kommen ja jetzt schon Anfragen von Kunden, ob wir nicht schauen können, ob das noch wer lagernd hat – und genau das können wir nun auch damit“, freut sich Hafner. „Das heißt, ich schicke nicht den Kunden weg mit der Aussage ‚Schau dich selber um‛, sondern wir machen das für unsere Kundinnen und Kunden.“ Ein echter Service, der von der Stammkundschaft geschätzt wird.
Der neu ermöglichte Austausch zwischen den Apotheken stärkt die Funktion als wichtige Gesundheits-Anlaufstelle und die Strahlkraft des „roten A“. Das sieht auch Hafner so: „Durch unsere Kompetenz und Kenntnis können wir die Kaskade der Möglichkeiten gut einschätzen: Habe ich das Produkt lagernd, bekomme ich es über den Großhandel oder eventuell als Direktimport, besteht die Möglichkeit einer magistralen Herstellung und jetzt eben erweitert um die Option, dass es eine andere Apotheke lagernd hat. Damit erhöhen wir die Versorgungssicherheit nochmals um ein paar Prozentpunkte – und ich denke, es ist auch großartig für die Öffentlichkeitsarbeit!“
Dass man durch die Teilnahme an der Versorgungsplattform keine Kunden verliert, sondern vielmehr die Bindung stärkt, hat Hafner selbst erlebt: „Gleich am ersten Tag, an dem ich das System testen konnte, hatte ich folgenden Fall: Freitagnachmittag, Xorox Augensalbe dringend notwendig, nichts Gleiches verfügbar, für Deutschlandimport zu spät – aber über die Versorgungsplattform habe ich dann eine Apotheke im Nachbarbezirk gefunden. Für die Kundin war es sogar ok, dass sie direkt hinfährt. Es hat alles geklappt, die Kundin war super happy und kam dann sogar nachher nochmals zu uns, um sich zu bedanken – also eine klare Win-Win-Situation.“
Die Versorgungsplattform ist für teilnehmende Apotheken kostenlos. Sie bietet ein sicheres Serviceangebot der ÖAK, verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele und wird außerhalb jeglicher privatwirtschaftlicher Profitinteressen betrieben. Hafner ist von der Idee begeistert: „Ich finde es eine großartige Sache! Wenn wir das nun umsetzen und möglichst viele Apotheken dazu gewinnen, mitzumachen, dann haben wir wirklich etwas Einzigartiges in Österreich.“