Kommentar

E-Rezept: Apotheken retten Lauterbach

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Berlin -

Mehr als 54 Millionen E-Rezepte sind bislang eingelöst worden – der Roll-out läuft. Aber die Bilanz fällt gemischt aus, denn auch wenn die Technik im Großen und Ganzen funktioniert, wurden zahlreiche Strukturen und Prozesse überhaupt nicht mitgedacht oder berücksichtigt. Wieder einmal holen die Apotheken unter erheblichem Zusatzaufwand die Kohlen aus dem Feuer, wieder einmal werden die Probleme geräuschlos gelöst. Vom Gesundheitsminister ist dazu keine Anerkennung zu vernehmen.

Mit der Digitalisierung sollen Arbeitsprozesse vereinfacht werden – und auch Patient:innen profitieren. In der Praxis sieht es anders aus: Im Alltagsgeschäft, das ohnehin von Lieferengpässen und Personalnot geprägt ist, müssen die Teams nun auch noch die Schwachstellen ausmerzen. Sie telefonieren den Praxen hinterher, schicken Boten, bearbeiten Faxe. Den erheblichen Mehraufwand im Hintergrund bekommen die Patientinnen und Patienten oft noch nicht einmal mit. Das ist gut so – und zugleich ist es ein Problem.

Dass es zum Start eines derart großen Projektes ruckelt und an der ein oder anderen Stelle hakt, steht außer Frage. Dass die Apotheken aber, wie auch schon zu Pandemiezeiten, wieder mal die Kohlen aus dem Feuer holen müssen, ist längst nicht selbstverständlich. Friedenspflicht? Muss mühsam jeder einzelnen Kasse abgerungen werden. Honorierung? Fehlanzeige.

Wie lange können Apotheken den Mehraufwand neben dem Alltagsgeschäft noch stemmen? Das dürften sich derzeit etliche Teams fragen. Wichtige Zeit für die Beratung wird jetzt beim Zurechtrücken des E-Rezeptes verplempert. Es kommt zu Wartezeiten, Telefonat oder Botendiensten – und den ganzen Frust und Ärger bekommen dann trotzdem die Apotheken ab.

Auf der einen Seite werden schon Stimmen lauter, geschlossen gegen dieses Desaster vorgehen, Patienten und Patientinnen erst recht zur Arztpraxis zurückzuschicken und eben nicht alles auszubügeln. Auf der anderen Seite steht aber der Versorgungsauftrag: Man könne doch nicht einfach sagen: „Kein Rezept da, Pech gehabt!“ Immerhin stehen jedes Mal auch wirtschaftliche Konsequenzen im Raum: „Wer bezahlt mir den Schaden, wenn die Telematik auffällt? Wer bringt mir Kundinnen und Kunden zurück, wenn diese abwandern, weil die Signatur des Arztes fehlt?“

Einmal mehr zeigt sich die Krux, dass Apotheken einerseits Unternehmen sind, die aber andererseits von Politik und Kassen abhängig sind: Den Kunden oder die Kundin interessiert es im Prinzip wenig, warum das Medikament nicht sofort erhältlich ist. Es ist die Apotheke, die in Erklärungsnot kommt, sie ist die direkte Verbindung und somit Prellbock der Bevölkerung und hat alle Mühe, die Versorgung aufrechtzuerhalten.

Warum kommen erst jetzt die Kinderkrankheiten des E-Rezeptes ans Licht: Warum wurde an so vieles nicht gedacht? Weil Politik und Kassen sich eben längst nicht mehr um die Versorgung kümmern und diejenigen, die sie allen Widrigkeiten zum Trotz aufrechterhalten. Was zählt, ist das Geld. Die Apotheken haben sich schon weit im Vorfeld darum bemüht, fit für das E-Rezept zu sein. Aufgabe der Politik wäre es gewesen, ihnen ein wirklich gutes Produkt zur Verfügung zu stellen.

Das Mindeste, was es jetzt geben muss, ist eine Friedenspflicht – für alle Kassen. Und so, wie in Krisenzeiten gerne ein Sparbeitrag gefordert wird, wäre eine Aufwandsentschädigung angezeigt. Denn im freien Markt würden wohl viele Apotheken und Praxen das (zwangsweise) erworbene Produkt jetzt reklamieren. Aber das ist eben nun einmal nicht vorgesehen.

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