Um die Versorgung zu sichern, soll mit der Apothekenreform der Betrieb von Zweigapotheken vereinfacht werden. Diese Regelung im Referentenentwurf von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte es schon im Vorhaben ihres Amtsvorgängers Karl Lauterbach (SPD) gegeben.
Laut Entwurf sollen Zweigapotheken vor allem in „abgelegenen Orten oder Ortsteilen, in denen mangels Apotheke die Arzneimittelversorgung deutlich eingeschränkt ist“, eine Alternative darstellen. Die zuständige Behörde muss die Erlaubnis erteilen, wenn der Antragsteller Inhaber einer „nahe gelegenen Apotheke“ ist und nachweist, dass er über „die nach der Apothekenbetriebsordnung erforderlichen Räume verfügen wird“. Die Erlaubnis wird jeweils für einen Zeitraum von zehn Jahren erteilt und kann neu erteilt werden. Pro Hauptapotheke sind bis zu zwei Zweigapotheken zulässig.
Damit unterscheidet sich der Entwurf deutlich von der geltenden Regelung, nach der Zweigapotheken in Frage kommen, wenn „infolge Fehlens einer Apotheke ein Notstand in der Arzneimittelversorgung“ eintritt. Außerdem „kann“ die Behörde die Erlaubnis erteilen – es handelt sich aber nicht um einen Automatismus, wie er künftig vorgesehen ist. Außerdem kann derzeit jeder Inhaber nur eine Zweigapotheke betreiben, die Genehmigung gilt nur für fünf Jahre.
Immerhin: In Lauterbachs Entwurf war von „Orten oder Ortsteilen mit eingeschränkter Arzneimittelversorgung“ die Rede. Die Hauptapotheke musste auch nicht in der Nähe liegen, wie es derzeit und künftig der Fall sein soll. Allerdings ist unklar, wie der Begriff definiert wird und er rechtssicher gemacht wird. Im Zusammenhang mit der Heimversorgung war immer wieder über das Regionalprinzip gestritten worden, zuletzt waren sogar Filialen außerhalb benachbarter Kreise erlaubt worden.
Die Zahl von zwei Zweigapotheken und zehn Jahren war auch im Lauterbach-Entwurf vorgesehen. Ebenfalls aus dem früheren Entwurf übernommen wurde die Regelung, dass Inhaberinnen und Inhaber die Leitung der Zweigapotheken selbst übernehmen können. „Während bei Filialapotheken immer eine Filialleitung zu benennen ist, kann die Leitung einer Zweigapotheke auch durch die Apothekeninhaberin oder den Apothekeninhaber selbst übernommen werden.“ Außerdem besteht die Möglichkeit der Aufteilung der Leitung auf zwei Apotheker:innen – gleiches gilt für Filialen. Derzeit müssen Zweigapotheken verwaltet werden.
Unklar ist noch, was es mit den räumlichen Anforderungen auf sich hat. Laut der vom BMG veröffentlichten Maßnahmenübersicht sollen diese abgesenkt werden – „auf Notdienstzimmer, Rezeptur bei entsprechender Versorgung innerhalb des Filialverbunds kann verzichtet werden“, heißt es da. Und: „Bei Notdiensten sollen Zweigapotheken nur noch für maximal zwei Stunden tagsüber in Anspruch genommen werden. Für abgelegene Regionen mit deutlich eingeschränkter Arzneimittelversorgung sollen so Anreize für die Gründung weiterer Zweigapotheken und somit einem Erhalt des flächendeckenden Apothekennetzes gesetzt werden.“
Möglicherweise sind diese Regelungen in der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung“ zu finden, die zusammen mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung“ (ApoVWG) zum Reformpaket gehört.
Vor einem Jahr war tatsächlich eine Änderung von § 4 Absatz 3 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vorgesehen gewesen: „Zwingend erforderlich bleiben eine Offizin, ein Notdienstzimmer sowie ein ausreichender Lagerraum. Weitere Räume und Geräte sind nur erforderlich, soweit in der Zweigapotheke entsprechende Tätigkeiten durchgeführt werden“, hieß es da. Zweigapotheken sollten laut damaligem Entwurf montags bis sonnabends zur Dienstbereitschaft für die Dauer von vier Stunden während der ortsüblichen Geschäftszeiten verpflichtet werden.
Laut aktuellem Entwurf sollen die Anforderungen zur Gründung einer Zweigapotheke abgesenkt werden. „Dies dient dem Erhalt einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch ein entsprechendes Apothekennetz“, heißt es zur Begründung. So können Zweigapotheken nun eröffnet werden, wenn in abgelegenen Orten oder Ortsteilen eine deutlich eingeschränkte Arzneimittelversorgung vorliegt, beispielsweise weil dort oder in der näheren Umgebung keine Apotheke angesiedelt ist. Soweit alle Voraussetzungen vorliegen, haben Antragstellende zukünftig einen Anspruch auf Erteilung einer Betriebserlaubnis; bisher stand die Erteilung der Erlaubnis im Ermessen der zuständigen Behörde.“
Zudem werde der Betrieb von Zweigapotheken erleichtert. „Apothekenbetreiberinnen und Apothekenbetreiber können insgesamt bis zu zwei Zweigapotheken zusätzlich zu bestehenden Haupt- und Filialapotheken eröffnen und betreiben.“ Und weiter: „Um Antragstellenden Planungssicherheit zu geben, wird geregelt, dass die Erlaubnis statt für einen Zeitraum von fünf Jahren jetzt für einen Zeitraum von zehn Jahren erteilt wird. Sie wird bei Vorliegen der Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 auf Antrag erneut erteilt. Dies dient zudem dem Bürokratieabbau.“
Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht man davon aus, dass es vermehrt Anträge geben wird. Eine konkrete Zahl nennt der Entwurf nicht. „Durch die Änderungen soll zudem die vermehrte Gründung von Zweigapotheken angeregt werden, was insgesamt zu einer häufigeren Durchführung von Verfahren zur Erlaubniserteilung führen könnte. Demgegenüber wird die Geltungsdauer der Erlaubnis von fünf auf zehn Jahre erhöht, was eine entsprechende Minderzahl von Verfahren bedingen kann.“
Auf die Behörden kommt laut BMG ein zusätzlicher Aufwand hinzu: Die Umstellung der Prüf- und Genehmigungsprozesse wird laut Schätzung ungefähr 20 Stunden in Anspruch nehmen, was bei Lohnkosten von ungefähr 44 Euro im gehobenen Dienst insgesamt einmalig rund 900 Euro pro Land beziehungsweise 14.400 Euro für alle 16 Länder erzeugen könnte.
Für die laufenden Verfahren werden jeweils durchschnittlich drei Stunden veranschlagt, wodurch pro Anzeige ein Erfüllungsaufwand – abzüglich Einsparung durch die längere Gültigkeitsdauer der Erlaubnis – in Höhe von ungefähr 132 Euro entsteht. „Bei einer angenommenen Zahl von 100 neu gegründeten Zweigapotheken könnte somit beispielsweise ein Erfüllungsaufwand von einmalig circa 13.200 Euro entstehen. Insgesamt wird daher der Erfüllungsaufwand für diese Regelung als geringfügig auf Grund der gleichzeitigen Verringerung des Aufwandes geschätzt.“
Zweigapotheken sind derzeit nur Relikte aus vergangenen Zeiten oder Sonderfälle. Ende 2023 gab es ganze elf solcher Standorte, dabei handelt es sich um Überbleibsel aus DDR-Zeiten, Flughafen- und Inselapotheken. Für die – wenigen – Betreiber dieser Zweigapotheken wird eine Übergangsfrist geschaffen: „Bereits erteilte Erlaubnisse zum Betrieb von Zweigapotheken bleiben bis zu ihrem Ablauf weiterhin gültig. Nach Ablauf der bislang vorgesehenen Fünfjahresfrist ist auf Antrag eine erneute Erlaubnis nach den neuen Regeln zu beantragen. Unabhängig davon ist ein Neuantrag im Rahmen der neuen, weiterentwickelten Anforderungen jederzeit möglich.“