„Das kann eine Apotheke ruinieren“

Retaxgefahr: ADG ändert plötzlich Bedruckungsdatum

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Berlin -

In der vergangenen Woche stellte eine Inhaberin durch Zufall eine „riesige neue Retax-Gefahr“ im Zusammenhang mit bestellten Medikamenten fest: „Eine zweite Kontrolle eines Rezeptes ein paar Tage später ergab, dass die Software seit mindestens einer Woche plötzlich das Gegenscan- statt das Abrufdatum aufdruckt“, erklärt sie. „Wir wurden nicht informiert, das hat mindestens preisliche Auswirkungen für uns“, ärgert sie sich. ADG verweist auf den Rahmenvertrag und gibt Entwarnung.

Der Inhaberin fiel kürzlich auf, dass es bei der Bedruckung von E-Rezepten durch die Software eine ihr unbekannte Änderung gab. „Wir haben eine riesige neue Retax-Gefahr bei der ADG-Software durch Zufall über eine zweite Kontrolle ein paar Tage später festgestellt. Die ADG hat nicht darüber informiert“, sagt sie. „Wir sind im Kontakt mit der ADG, aber selbst dort wusste zunächst niemand, dass sich das geändert hat und vor allem wer da was geändert hat“, so die Apothekerin.

Das Problem: „Bisher wurde bei E-Rezepten als Bedruckungsdatum das Datum der Rezeptbearbeitung, sprich des Abruftages aufgebracht. An diesem werden auch die Nichtverfügbarkeiten automatisch eingepflegt.“ Aber: „Seit mindestens Ende vorletzter Woche bedruckt das ADG-System das Datum des letzten Gegenscans“, schildert sie. Will heißen: „Holt ein Patient seine Nachlieferung beispielsweise erst ein paar Wochen nach Bearbeitung des E-Rezepts in der Apotheke ab, wird es mit einem Datum bedruckt, welches schon nach Ablauf des Rezepts liegen könnte.“

Taggleiche Kontrolle

So könnte sich der Preis des zu beliefernden Präparates inzwischen geändert haben, sagt sie. „Man hat keine Möglichkeit mehr, das Rezept ordentlich zu kontrollieren“, beklagt die Inhaberin. „Wir kontrollieren unsere Rezepte taggleich – wie viele andere Apotheken auch. Daher ist sicherlich noch niemandem aufgefallen, dass sich das Druckdatum ändert, wenn das Medikament später abgeholt wird.“

Komme es zu Retaxationen, stehe die Haftungsfrage im Raum. „Wir haben die ADG bereits informiert, dass wir Retaxationen der ADG in Rechnung stellen werden, da nicht über die Änderung informiert wurde“, macht die Inhaberin deutlich. „Deutschlandweit betrifft das sehr viele Apotheken“, vermutet sie. „Und es gibt sehr teure Arzneimittel, die meist bestellt werden müssen. Das kann eine Apotheke ruinieren. Denn diese Rezepte sind mit Fehlern versehen, wenn das Druckdatum nicht mehr dem Erstelldatum des Auftrags entspricht“, erklärt sie. „Alle unsere Nichtverfügbarkeitsabfragen stimmen dann ja auch nicht mehr.“

Krankenkasse pocht auf Datum

Sie hoffe, dass die ADG das System wieder zurückstelle auf den vorherigen Stand. Denn: „Der August ist gerade vorbei und die Abrechnung steht vor der Tür“, so die Inhaberin. Sie schilderte ihr Problem auch gegenüber dem Branchenverband Adas: „Dort erklärte man uns, dass die Änderung nötig war, weil eine Krankenkasse bezüglich der Abgabedaten und Bedruckungsdaten nachgehakt habe“, so die Apothekerin. „Wahrscheinlich wurde schon wieder eine Retaxations-Möglichkeit gesehen“, sagt sie.

„Wir hoffen inständig, dass die Nichtverfügbarkeitsnachweise vom Abruftag und nicht vom Gegenscan-Tag bei Abholung zählen werden. Auch noch in einem Jahr, wenn die Retaxationen dann bei uns eintreffen.“ Dennoch müsse sie ihr Kontrollsystem vorerst umstellen. „Denn diese Änderung wird scheinbar nicht wieder rückgängig gemacht, es sei denn es kommt zu einer Vertragsänderung“, so die Apothekerin.

„Änderung ist dringend nötig“

„Wir haben dem Adas mitgeteilt, dass eine Änderungsinformation im Vorfeld nötig gewesen wäre“, stellt die Inhaberin klar. „Die Softwarehäuser sind schon länger in Kontakt mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV), welcher sich aber wie gewohnt nicht wirklich als Standesvertretung kümmert“, sagt sie. „Es müsste grundsätzlich eine dringende Änderung im Rahmenvertrag her. Die Vorlage, sprich der Abruftag des Rezepts, muss als Bedruckungsdatum gelten und nicht die irgendwann später stattfindende Abgabe“, fordert sie.

Die aktuelle „antiquierte Regelung“ diene nur den Krankenkassen als Retaxationsmöglichkeit, so die Inhaberin. „Woher soll man wissen, wann der Patient sein Medikament abholen wird und welche Liefersituation am nächsten Tag vorherrscht“, fragt sie. „Hellseherische Fähigkeiten haben wir leider noch nicht entwickelt.“

Was steht im Vertrag?

Ändert sich zum 15. oder über den Monatswechsel der Preis des Arzneimittels, müssen Apotheken dies beachten, um keine Retaxation zu riskieren. Denn beim E-Rezept ist der Zeitpunkt der Abgabe für den Preis entscheidend. Das regelt § 22 Rahmenvertrag:

„Die Apotheke ist bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte verpflichtet, den für den Tag der Abgabe geltenden Apothekenabgabepreis zu berechnen und grundsätzlich anzugeben.“

Beim abzugebenden Arzneimittel ist der Zeitpunkt des Abrufs in der TI entscheidend. Nachzulesen in § 7: „Grundlage für die Auswahl des abzugebenden Arzneimittels ist die gültige, ordnungsgemäße vertragsärztliche oder -zahnärztliche Verordnung in papiergebundener oder elektronischer Form zum Zeitpunkt der Vorlage. Für eine elektronische Verordnung ist der Zeitpunkt des Abrufs aus der TI maßgebend.“

ADG gibt Entwarnung

Eine Sprecherin der ADG erklärt zur Abrechnung von Rezepten gegenüber Krankenkassen: „Bekanntermaßen gelten dabei die Vorgaben des Rahmenvertrags nach § 129 Absatz 2 SGB V gleichermaßen für die Belieferung von Papierrezepten als auch von E-Rezepten.“ Was zur Dokumentation des konkreten Abgabezeitpunkt auf Papierrezepten eine „Bedruckung“ des Abgabedatums darstellte, werde bei E-Rezepten durch eine elektronische Angabe des Abgabezeitpunktes im Abrechnungsdatensatz abgebildet und dokumentiert.

Und weiter: „Bei einer Nachlieferung eines E-Rezepts sind allerdings besondere Regelungen zu beachten. Während für die Auswahl des Arzneimittels (Abgaberangfolge) der Zeitpunkt des Abrufs aus der TI relevant ist (§ 7 Abs. 1 des Rahmenvertrags), gilt für die Preisbildung nach der AMPreisV und dem Rahmenvertrag (§ 22) der Tag der Abgabe – und damit der Zeitpunkt der Übergabe des nachbestellten Arzneimittels“, so die Sprecherin.

Automatische Prüfung

Bisher musste die Apotheke selbst bei der Übergabe der Nachlieferung dafür Sorge tragen, dass die genannten Vorgaben erfüllt sind. „Hierfür haben wir einen weiteren Komfort geschaffen, der die Aktualisierung des Abgabedatums im unbedenklichen Fall (kein zwischenzeitlicher Preisänderungsdienst, keine mögliche Überschreitung der Abrechnungsfrist etc.) automatisch vornimmt“, stellt sie klar.

Das entsprechende Update werde aktuell sukzessive an alle Kunden verteilt. „In diesem Zusammenhang erfolgt wie gewohnt auch eine Kommunikation an unsere Kunden“, so die Sprecherin. „In der Zwischenzeit konnten die Fragen und Bedenken der betroffenen Apotheke direkt mit uns geklärt werden und die genannte Änderung und der Komfort wurden als vorteilhaft bestätigt“, betont sie. Und weiter: „Im Zusammenhang mit einer möglichen Nachfrage eines Kostenträgers (hier AOK) liegen uns keine Informationen vor.“

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