Flüchtlingsapothekerin

„In deutschen Apotheken ist alles so ordentlich“

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Berlin -

Sie kommt gerade aus einem Kundengespräch: Hanan Kabour ist seit April im Praktischen Jahr (PJ) in der Wir-leben-Apotheke Lüneburg. Das ist nicht selbstverständlich, denn Kabour ist 2012 aus ihrer Heimat Syrien geflohen. In Deutschland lernte sie zunächst die Sprache, dann die Markennamen von Medikamenten. Nun arbeitet sie auf ihre Approbation hin.

ADHOC: Warum haben Sie Syrien verlassen?
KABOUR: Wegen des Krieges. Ich hatte Angst. Und in Syrien gab es keine Perspektive für mich: Ich habe 2011 mein Pharmaziestudium an der Universität in meiner Heimatstadt Damaskus abgeschlossen. Mein Ziel war es, in einer Apotheke anzufangen. Doch in Syrien haben wir die Regel, dass Absolventen zunächst zwei Jahre in einer Dorfapotheke arbeiten müssen, bevor sie in der Stadt eine Apotheke eröffnen dürfen. Auf dem Land hatte der Bürgerkrieg aber in vielen Regionen schon begonnen, sodass dieser Weg versperrt war. Ich blieb noch etwa anderthalb Jahre in Syrien und bemühte mich um ein deutsches Visum. Aber das ist nicht einfach zu bekommen.

ADHOC: Wie haben Sie es nach Deutschland geschafft?
KABOUR: Ich kam vor fast drei Jahren nach Spanien. Dort habe ich einen Onkel, der hat mich eingeladen. So konnte ich ein Visum für Spanien bekommen und nach Europa einreisen. Von dort bin ich im November 2012 weiter nach Deutschland. Meine Schwester wohnt bereits seit zehn Jahren mit ihrem Mann in Lüneburg; ich bin zunächst bei ihr untergekommen. Mit meinen Unterlagen habe ich einen Antrag für eine Aufenthaltsgenehmigung bei der Ausländerbehörde gestellt – fünf Monate später habe ich sie erhalten.

ADHOC: Wie ging es in Deutschland weiter?
KABOUR: Zuerst habe ich die Sprache gelernt; zuletzt habe ich einen Kurs B2 Plus belegt. Bei der Arbeitsagentur wurde ich von meinen Sachbearbeiterinnen auf die Wir-leben-Apotheken aufmerksam gemacht. Ich habe mich daraufhin dort auf ein Praktikum beworben. Herr Düvel sagte mir im Nachhinein, dass er mir sofort zusagen wollte, als er meine Bewerbung gelesen hatte. Eine Freundin von mir, Aya, hatte sich ebenfalls bei seinen Apotheken auf ein Praktikum beworben. Sie ist auch aus Syrien geflohen und wurde ebenfalls angenommen. Ich arbeite nun seit April in der Apotheke. Und ich bin sehr zufrieden.

ADHOC: Wie lief der Einstieg?
KABOUR: Am Anfang musste ich die Produkte kennenlernen. Das war schwierig für mich: In Syrien verwenden wir zwar die gleichen Wirkstoffe, aber die Medikamente haben ganz andere Namen. Ich musste viel lernen; doch meine Kolleginnen haben mir sehr geholfen. Auch zu Hause lerne ich, wenn ich Zeit dazu finde. Meine Filialleiterin hat eine ähnliche Geschichte wie ich: Sie ist vor Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen. Daher kann auch sie mir Tipps geben und mir zum Beispiel Fachbücher empfehlen.

ADHOC: Und die Kunden?
KABOUR: Später habe ich angefangen, im Verkauf mitzuarbeiten. Auch das war zuerst wegen der Sprache etwas schwierig. Zu Beginn habe ich den Apothekerinnen und PTA bei den Beratungsgesprächen nur zugehört. Doch inzwischen stehe ich auch schon allein an der Kasse und berate Kunden. Natürlich muss ich manchmal noch nachfragen. Dann sage ich den Kunden, dass ich noch im Praktikum bin – das verstehen sie.

ADHOC: Wie unterscheiden sich die deutsche und die syrische Offizin?
KABOUR: In deutschen Apotheken ist alles so ordentlich! In Syrien habe ich während meines Studiums ein zweimonatiges Praktikum in einer Apotheke gemacht. Dort war es leider nicht immer so perfekt.

ADHOC: Wie geht es nun für Sie weiter?
KABOUR: Ich bin auf dem Weg zur Approbation. Ich hatte begleitend zu meinem Praktikum bereits zwei Mal Blockunterricht in Hamburg. Den Unterricht habe ich zusammen mit deutschen Studenten, die in ihrem Praktischen Jahr sind. Am Ende mache ich genau wie sie mein Examen – wann genau der Termin sein wird, weiß ich aber noch nicht. An sich könnte ich die Prüfung auch schon früher ablegen, sobald ich mich sicher fühle. Aber mir wurde empfohlen, ein Jahr im Praktikum zu bleiben.

ADHOC: Möchten Sie danach gerne in Lüneburg bleiben?
KABOUR: Ja, sehr gern. Ich mag die Arbeit und besonders die tolle Atmosphäre in der Apotheke. Meine ganze Familie wohnt inzwischen in Lüneburg: Neben meiner Schwester auch meine Mutter und mein Bruder. Mein Vater wohnt in der Nähe der Stadt. Und mit Aya habe ich auch eine Freundin aus meinem Heimatland in Lüneburg. Wir haben uns erst in Deutschland kennengelernt; aber wir haben das Gleiche studiert, den gleichen Weg hinter uns. Es ist schön, das mit jemandem zu teilen. Ich habe unglaublich viel Glück gehabt und sehr nette, hilfsbereite Menschen kennengelernt. Das motiviert mich, weiterzumachen.

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