Französische Phase-II-Studie

Alkoholsucht: Neue Wirkstoffkombination getestet

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Berlin -

Das eine senkt den Blutdruck, das andere bekämpft Allergiesymptome: In Kombination sollen das Blutdruckmittel Prazosin und das Antihistaminikum Cyproheptadin den Suchtdruck bei Alkoholabhängigkeit deutlich senken können. Und nicht nur das: Laut der aktuellen französischen Studie, die Mitte April in der Fachzeitschrift „Addiction“ der Society For The Study Of Addiction (SSA) veröffentlicht wurde, soll die Kombination sogar bei schwerster Alkoholsucht helfen.

In präklinischen Studien konnte bereits nachgewiesen werden, dass bei gleichzeitiger Blockade der α1b- und 5HT2A-Rezeptoren der Alkoholkonsum bei Süchtigen deutlich reduziert werden kann. Ziel der französischen Studie war es demnach, mit zwei entsprechenden Blockern – Prazosin (α1b-Blocker) und Cyproheptadin (5HT2A-Blocker) – Sicherheit und Wirksamkeit bei Alkoholsucht nachzuweisen.

Während Prazosin nicht mehr auf dem deutschen Markt erhältlich ist – dafür aber das verwandte Terazosin –, wird Cyproheptadin, unter dem Handelsnamen Peritol, zur symptomatischen Behandlung der primär erworbenen Kälteurtikaria auch in Deutschland verordnet.

Zur Studie

Untersucht wurde die Senkung des Gesamtalkoholkonsums (TAC) bei Alkoholkonsumstörungen (AUD). Die Studie wurde in 32 Suchtbehandlungszentren in Frankreich durchgeführt; es handelte sich um eine doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte klinische Phase-2-Parallelgruppenstudie.

Insgesamt nahmen 154 Personen – 108 Männer und 46 Frauen – mit schwerer AUD teil. Das bedeutet: Männer nahmen täglich mindestens 60 Gramm Alkohol zu sich, Frauen mindestens 40 Gramm. In der Hochdosisgruppe waren es sogar bis zu 100 Gramm täglich. Die Probandinnen und Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip einer der folgenden dreimonatigen Behandlungen zugeteilt:

  1. Niedrigdosisgruppe (54 Personen), die täglich 8 mg Cyproheptadin und 5 mg Prazosin-Retard erhielt
  2. Hochdosisgruppe (46 Personen), die täglich 12 mg Cyproheptadin und 10 mg Prazosin-Retard erhielt und
  3. Placebogruppe (54 Personen), die ein Placebo aus Cyproheptadin und Prazosin erhielt.

Ein großer Unterschied zu anderen AUD-Studien: Die Probandinnen und Probanden mussten im Vorhinein nicht für eine bestimmte Zeit abstintent sein. „Längere Abstinenz gilt seit langem als zwingendes Ergebnis der AUD-Behandlung und die meisten klinischen Studiendesigns haben sich in der Vergangenheit auf Abstinenz als primäres Ergebnismaß für die Wirksamkeit der Behandlung konzentriert und die Einbeziehung häufig auf kürzlich entgiftete Teilnehmer beschränkt“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. „Viele Menschen mit AUD sind jedoch nicht bereit oder fühlen sich nicht dazu in der Lage, Abstinenz zu betreiben, und sind zunehmend an Zielen zur Reduzierung des Alkoholkonsums interessiert.“

Da mittlerweile sind Forschungsziele, die eine Reduktion des Alkoholkonsums fokussieren, von der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen worden sind, entschieden sich die Forschenden für ein entsprechendes Studiendesign.

Senkung des Alkoholkonsums

Alle Gruppen zeigten eine Verbesserung der Trinkergebnisse. Im Vergleich zur Placebogruppe konnte der Alkoholkonsum mit der Cyproheptadin-Prazosin-Kombination über 3 Monate um mehr als 23,6 Gramm pro Tag bei der Hochdosisgruppe gesenkt werden. Eine höhere Dosiskombination war mit einer größeren Reduzierung des Alkoholkonsums verbunden als eine niedrigere Dosiskombination und zeigte gleichzeitig ein ähnliches Sicherheitsprofil.

„Insgesamt deuten diese Ergebnisse auf die Wirksamkeit der Kombination von Prazosin und Cyproheptadin bei AUD hin“, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren der Studie. „Nur die hohe Dosis der Kombination zeigte einen signifikanten Effekt auf die Änderung des täglichen Alkoholkonsums, und die Dosis-Wirkungs-Beziehung deutete auf eine größere Reduzierung des Alkoholkonsums bei der hohen Dosis als bei der niedrig dosierten Kombination hin.“ Dies begünstige eindeutig die Wahl der Hochdosiskombination bei der Gestaltung zukünftiger Studien.

„Angesichts der geringen Anzahl zugelassener Medikamente und des derzeit begrenzten Einsatzes von Pharmakotherapie bei AUD, die alle nur eine begrenzte bis mäßige Wirksamkeit aufweisen, benötigen Patienten mit AUD sowie ihre Ärzte zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten“, geben die Autoren der Studie zu bedenken. „Die vielversprechende Wirksamkeit der Kombination rechtfertigt eine Fortsetzung dieser Arbeit mit Phase-3-Studien“, heißt es abschließend.

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