Selbstaktive Naht

Wunden heilen schneller mit Strom

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Berlin -

Chirurgische Nähte verschließen Wunden meist nur mechanisch, fördern die Heilung jedoch nicht aktiv. Forschende der Donghua University in Shanghai haben nun eine bioresorbierbare Naht entwickelt, die durch Bewegungen im Gewebe elektrische Impulse erzeugt und so die Heilung gezielt unterstützt.

Die Wundheilung nach Operationen oder Verletzungen ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Chirurgische Nähte spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie das Gewebe zusammenhalten und die Grundlage für die Regeneration schaffen. Herkömmliche Nähte erfüllen vor allem eine mechanische Funktion und müssen, wenn sie nicht biologisch abgebaut werden, wieder entfernt werden. Aktive Beiträge zur Heilung leisten sie in der Regel nicht.

Mechanische Stabilität und elektrische Stimulation in einer Naht

Die BioES-Naht – basierend auf dem Prinzip der „biologisch abbaubaren elektrischen Stimulation“ – wurde entwickelt, um diesen rein mechanischen Ansatz zu erweitern. Sie verbindet mechanische Stabilität mit der Fähigkeit, eigenständig elektrische Impulse zu erzeugen, und kommt ohne externe Stromquelle oder zusätzliche Eingriffe aus. Die Naht besteht aus einem leitfähigen Magnesiumdrahtkern, ummantelt mit Nanofasern und einer äußeren Polycaprolacton-Schicht. Durch Bewegungen des umliegenden Gewebes entstehen elektrische Felder, die natürliche Prozesse der Zellmigration, Proliferation und Wachstumsfaktorfreisetzung fördern können.

Im Labor zeigte die BioES-Naht eine hohe Zugfestigkeit von bis zu 265 MPa und behielt auch nach 1000 Biegungen oder zwei Wochen Implantation über 90 Prozent ihrer Festigkeit. Die erzeugte Spannung lag bei 10 Prozent Dehnung über 2 Volt. Damit stellt sie einen vielversprechenden Ansatz dar, um die passive Wundversorgung um eine bioaktive Komponente zu erweitern.

Elektrische Stimulation verbessert Zellaktivität und Wundheilung

In Zellversuchen regte die elektrische Stimulation durch die Naht die Bewegung und das Wachstum von Fibroblasten an, Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Wundheilung spielen. Zudem erhöhte sich die Produktion von Wachstumsfaktoren wie EGF, VEGF-A und TGF-β, die das Zellwachstum, die Neubildung von Blutgefäßen und die Geweberegeneration fördern. Diese Prozesse sind entscheidend für eine beschleunigte und geordnete Wundheilung. Die Materialien zeigten keine toxischen Effekte. Bereits nach 24 Stunden schloss sich die Wunde in der stimulierten Gruppe deutlich schneller als in der Kontrollgruppe.

In Tierversuchen mit Ratten zeigte die Naht bei Bewegung eine reproduzierbare elektrische Aktivität. Muskelverletzungen, die mit der BioES-Naht genäht wurden, heilten nach zehn Tagen zu 96,5 Prozent. Zum Vergleich: Mit herkömmlichen bioresorbierbaren Nähten waren es 82,2 Prozent, und unbehandelte Wunden schlossen sich zu 60,4 Prozent. Außerdem zeigte sich eine bessere Neubildung von Haut und Kollagen, mehr Blutgefäße, weniger Narbenbildung und Entzündung. Die bakterielle Belastung war in der BioES-Gruppe deutlich reduziert, obwohl keine zusätzlichen Desinfektionsmaßnahmen angewendet wurden.

Die Studie mit dem Titel „A bioabsorbable mechanoelectric fiber as electrical stimulation suture“ wurde am State Key Laboratory for Modification of Chemical Fibers and Polymer Materials der Donghua University in Shanghai durchgeführt und im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

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