Nach wie vor ist nicht absehbar, wie nach dem vorläufigen Scheitern eines Spargesetzes von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) Beitragsanstiege kurzfristig verhindert werden sollen. Während der Haushaltsdebatte im Bundestag kritisierte Warken die Länder scharf für ihre Blockade im Bundesrat. Die Ministerin sprach von einem „fatalen Signal“ und stimmte zugleich auf schwierige Debatten im kommenden Jahr ein, denn das prognostizierte Defizit werde dann noch deutlich größer sein. Sparmaßnahmen – auch wenn sie natürlich nicht gefielen – seien angesichts der steigenden Beiträge alternativlos.
Von ganz entscheidender Bedeutung sei die Finanzierungsgrundlage des Gesundheitssystems. Schon in den vergangenen Jahren habe man der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stets neue Lasten aufgetragen, die jetzt voll durchschlügen, kritisierte Warken. Die vergangene Regierung habe diesen nicht entgegengewirkt, um Beitragssteigerungen zu verhindern. „Vor dieser Situation stehen wir jetzt, gleichzeitig müssen wir die Beitragsspirale durchbrechen – sonst kommt unser Land auch nicht weiter voran“, so die Ministerin. Deshalb habe man sich in der Koalition darauf verständigt, dass die Beiträge in der GKV und Soziale Pflegeversicherung (SPV) zum Jahreswechsel stabil bleiben müssten.
„In der sozialen Pflegeversicherung lösen wir das Versprechen ein, indem wir das Darlehen für 2026 noch mal um 1,7 Milliarden erhöhen. Es ist ein Darlehen, ja, aber es ist ein wichtiges Darlehen, weil es die Beitragssätze zunächst stabilisiert“, so die Ministerin. So könne der Weg geebnet werden für die notwendigen Strukturreformen.
„Gerne hätte ich auch verkündet, dass wir auch die Lücke in der GKV schließen konnten. Wir haben uns auch bewusst auf die Maßnahmen geeinigt, wie sie vorgeschlagen waren, haben sie gemeinsam im Deutschen Bundestag beschlossen, mit dem Ziel, den Kostenanstieg bei den Krankenhäusern einmalig im nächsten Jahr auf die durchschnittliche Kostenentwicklung zu begrenzen.“ Sie verwies zudem auf die Leistungen an die Krankenhäuser: Der Bund finanziere mit bis zu 29 Milliarden Euro den Transformationsfonds und mit 4 Milliarden Euro die Sofort-Transformationskosten.
Trotz der geplanten Einsparungen würden auch die Kosten im Krankenhaus zulasten der GKV auf 120 Milliarden hochschnellen – 8 Milliarden Steigerung im Vergleich zum letzten Jahr, so die Ministerin. Es sei also keineswegs so, dass der Bund die Krankenkassen im Stich lasse. Durch die Blockade im Bundesrat ginge den Kassen nun wertvolle Zeit in der Planung für das kommende Jahr verloren, kritisierte die Ministerin scharf. „Das ist natürlich ein fatales Signal, wenn schon ein kleines Sparpaket auf derartige Widerstände stößt“, betonte Warken.
Natürlich würde so ein Spargesetz nicht allen gefallen, aber „es ist einfach alternativlos, dass wir das tun müssen“. Diese Debatten seien nur der Anfang, denn im kommenden Jahr werde man eine Lücke im zweistelligen Milliardenbetrag schließen müssen. Es brauche einen gemeinsamen Willen, entschlossen zu handeln. Bei der Bewältigung dürfe es keine Denkverbote geben. „Es muss das gemeinsame Ziel sein, die gesetzliche Krankenversicherung wie auch die soziale Pflegeversicherung auf ein stabiles Fundament zu stellen.“ Dieses Ziel könne nur gemeinsam erreicht werden.
„Wann werden Sie endlich die aus dem Ruder gelaufenen Ausgaben für Arzneimittel, die allein dieses Jahr 3,5 Milliarden zusätzliche Last für die GKV bedeuten, angehen?“, wollte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, von Warken wissen. Die Ministerin verwies auf die Rekordbelastungen der Versicherten unter der Ampel und kritisierte die fehlende Gegensteuerung in der vorherigen Legislatur. Jetzt nur den schwarzen Peter zuzuschieben und die eigene Verantwortung zu vergessen, sei zu einfach.
Das Gesundheitssystem stehe an vielen Stellen unter Druck, gleichzeitig habe man aber auch enorme Chancen für eine moderne wirtschaftliche und verlässliche Versorgung. Umso wichtiger sei es, dass man nun nicht nur über Zahlen spreche, sondern auch darüber, was man mit den Mitteln erreichen könne, erklärte die Gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Simone Borchardt. „Vor allem müssen wir endlich etwas tun, um die finanziellen und personellen Ressourcen dieses Systems vernünftig zu heben“, so Borchardt in der Debatte im Bundestag. Was es jetzt brauche, seien „richtige Reformen“, und nicht das nur das Drehen an kleineren Stellschrauben. Dazu brauche es mutige Entscheidungen, erklärt sie.
Man habe bereits Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, um den Beitragssatz über den Jahreswechsel zu stabilisieren. „Das ist ein Versprechen, welches wir den Menschen in diesem Land gegeben haben“, wiederholt die Politikerin. Wichtig sei, dass man das „gemeinsame Ziel“ im Blick behalte und man sich nicht in Einzelinteressen verliere. Dabei sehe sie auch die Bundesländer in der Verantwortung. Deutschland habe das zweitteuerste System der Welt und dabei doch die zweitschlechteste Lebenserwartung in Europa. Die Gründe dafür seien klar, man habe keine Erkenntnisprobleme, „aber wir haben keinen Mut, in die Umsetzung zu gehen“. Es brauche neue Strukturen in allen Versorgungsbereichen, auch in den Bereichen der Selbstverwaltung.
Das Wachstum der Ausgaben lasse sich nur dann verantworten, wenn Strukturen modernisiert und Fehlanreize beseitigt würden. „Wir dürfen nicht länger akzeptieren, dass immer mehr Geld ausgegeben wird, ohne dass ein gesundheitlicher Nutzen entsprechend steigt.“ Als Beispiel nannte Borchardt den Bereich Digitalisierung. „Seit zwei Jahrzehnten investieren wir erhebliche Summen in die Digitalisierung und trotzdem berichten uns Hausärzte, Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Apotheken, dass digitale Anwendung oft komplizierter sind als das, was sie ersetzen sollen“, kritisiert die Politikerin. Digitalisierung dürfe nicht zum Selbstzweck werden und sie müsse spürbar entlasten. Man habe eine ePA, aber strukturierte Patientendaten fehlten. Die Mittel, die im Haushalt dafür bereitgesetllt würden, seien richtig, sie müssen aber konsequenter eingesetzt werden, um echte, klar definierte Fortschritte zu erzielen.
„Durch eine bessere Steuerung und konsequente Ambulantisierung, durch klare Finanzstrukturen, durch den Abbau von Doppelstrukturen und durch gezielte Prävention und durch einen gezielten Personaleinsatz könnten wir bis zu 35 Milliarden Euro einsparen, ohne eine einzige Leistung zu kürzen“, erklärte Borchardt. Das sei kein Sparprogramm auf dem Rücken der Versicherten, „sondern eine Aufforderung an uns selbst, das System endlich effizienter zu machen“. Und die Versorgungssteuerung schaffe nicht nur finanzielle Spielräume, sondern erhöhe auch die Qualität. Dieses Umdenken brauche eine klare Abstimmung zwischen Bund und Ländern. „Die Menschen warten auf Reformen in diesem Land. Lassen Sie uns es endlich angehen.“
Die SPD-Sozialpolitikerin Dagmar Schmidt zeigte sich trotz der angespannten Finanzlage dennoch „optimistisch, dass wir auch in diesem Jahr noch gemeinsam mit den Ländern für stabile Beiträge in der Krankenversicherung sorgen können“. Verbände der Krankenkassen hatten gewarnt, ohne die vorgesehenen Einsparungen würden die Beiträge „zum Jahreswechsel noch stärker steigen, als sie es ohnehin schon tun“. Das Thema soll auch im Koalitionsausschuss bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Abend beraten werden.
Die Opposition übte scharfe Kritik an der Regierung. Die Grünen-Abgeordnete Linda Heitmann sagte voraus, „dass die Zusatzbeiträge steigen“. Der Ministerin warf sie vor, in diesem Jahr sehenden Auges in die Steigerungen hineingelaufen zu sein – mit „halbherzigen Maßnahmen“, für die Warken nicht einmal die Länder-Zustimmung habe. Der Linken-Abgeordnete Ates Gürpinar sagte an die Adresse der Ministerin: „Sie hinterlassen ein Gesundheitssystem im freien Fall.“ Für die AfD schlug Abgeordneter Joachim Bloch ein Entlastungspaket in Höhe von 55 Milliarden Euro vor.
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