Deutscher Apothekertag

Spahn: Papierrezepte sind gaga

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Berlin -

Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hat beim Deutschen Apothekertag (DAT) einen Rundumschlag getan: Bei der politischen Diskussion warb er für das E-Health-Gesetz, zeigte sich in Sachen Rabattverträge und Lieferengpässe nachdenklich, versprach den Apothekern 120 Millionen Euro für den Nacht- und Notdienstfonds, kritisierte Nullretaxationen und dachte über die freie Apothekenwahl sowie Großhandelszuschläge nach.

Mit Blick in die Zukunft forderte Spahn die Apotheker auf, neue Versorgungsformen mutig mitzudenken. „Ich möchte, dass Apotheker als Heilberuf eine entscheidende Rolle spielen, wenn sich alles ändert. Und es wird sich alles ändern“, so Spahn. Er ermunterte die Apotheker, gemeinsam mit der Politik zu schauen, wie die Kompetenzen weiter genutzt werden könnten.

Der Gesundheitsexperte der Linken, Harald Weinberg, betonte, dass die Beratung künftig nicht ausschließlich über die Präsenzapotheke erfolgen werde. „Aber die Rolle, die Apotheker spielen sollen, soll genau die sein: zu vermitteln zwischen Arzt und Patient.“ Das Angebot werde vielfältig sein. „Das wird die Bedeutung des Apothekers stärken.“

Im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) forderte Spahn einen Mehrwert für die Beteiligten. Der könne aus seiner Sicht das Medikationsmanagement oder das elektronische Rezept sein. „Wir machen viele Dinge im Gesundheitswesen in den Abläufen zum Teil noch wie im vorigen Jahrhundert“, kritisierte Spahn. Er erinnerte sich an seine Ausbildung zum Bankkaufmann, das Bügeln von Überweisungsscheinen und kritisierte: „Rezepte gehen nach wie vor den ganzen Weg – das ist doch gaga.“

Das E-Health-Gesetz solle Maßnahmen bündeln und Schnittstellenprobleme lösen. Dazu gehört Spahn zufolge auch der Medikationsplan. Der werde aber sicher noch nicht im nächsten Jahr kommen. Derzeit laufe der Testbetrieb zu eGK und E-Rezept in einigen Regionen.

Mit Blick auf die geplante Pflegereform stellte Spahn fest, dass es in Pflegeeinrichtungen schon heute weder eine freie Apotheken- noch eine freie Arztwahl gebe. Aus seiner Sicht sind Abstriche durchaus möglich, um die Kompetenzen einzelner Leistungserbringer zu nutzen. Spahn sprach sich dafür aus, Selektivverträge zu fördern. So sollen beispielsweise Genehmigungspflichten reduziert und von der Regelung abgewichen werden, dass sich Verträge bereits nach einem Jahr rechnen müssen. Weinberg betonte, dass Apotheker von Kosteneinsparungen profitieren sollten, die sie mit erreichen.

Der Linke-Politiker sprach sich außerdem für eine Abschaffung der Importquote aus. Reimporte seien ein wesentliches Einfallstor für Fälschungen. „Da müssen wir regulierend eingreifen.“

Über die Importquote könne man reden, so Spahn – „dann nehmen Sie aber die Anrufe aus dem Saarland entgegen!“ Ansonsten forderte er die Apotheker auf, nicht mehr auf Reimporteure zurückzugreifen, die dauerhaft mit Fälschungen auffielen. Dabei sollten die Apotheker von den Krankenkassen unterstützt werden.

Als zweites Problem sieht Spahn Lieferengpässe. Als Beispiel nannte er Penicillin, das über Wochen nicht lieferbar gewesen sei. „Wir sind doch hier keine Bananenrepublik!“ Allerdings gestalte sich die Lösung des Problems schwierig. „Von Mindestvorräten halte ich gar nichts, zumal man die Kosten sehen muss“, so Spahn. Er schlug aber vor, es den Apothekern und allen Beteiligten leichter zu machen, um zumindest den „Genehmigungskleinkrieg mit den Krankenkassen“ bei der Beschaffung von Ersatz zu verhindern.

In diesem Zusammenhang überlegte Spahn, ob vielleicht in den vergangenen Jahren zuviel gewollt wurde – im Sinne von „nach fest kommt ab“. Die Gesundheitspolitik müsse die grundsätzliche Debatte führen: „Wann ist bei Arzneimitteln vielleicht zu viel gespart?“ Weinberg merkte an, dass es offenbar zumindest die Einsicht gebe, dass Rabattverträge nicht nur positive Effekte hätten. Er forderte: „ Es ist wichtig, dass man Rabattverträge in ihren Wirkungen auf den Prüfstand stellt.“ „Dann möchte ich aber nicht mehr den Vorwurf hören, wir seien zu pharmafreundlich“, wandte Spahn ein. „Sie werden es von mir nicht hören“, sicherte Weinberg zumindest zu.

Einig waren sich Spahn und die Apotheker auch in Sachen Nullretaxationen. Spahn betonte: Es könne nicht sein, dass ein Apotheker ein Arzneimittel für 12.000 Euro abgebe und mit der ganzen Summe hafte, weil ein Kreuz nicht gesetzt sei. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, das zu regeln.“ Bisher sei er am Koalitionspartner gescheitert. Er schlug den Apothekern vor: „Laden Sie doch jeder, wie Sie hier sitzen, Ihren SPD-Abgeordneten ein und erklären Sie es ihm.“

In Sachen BtM- und Rezepturzuschläge zeigte sich Spahn offen für Änderungen: „Selbst wenn man die BtM-Zuschläge vervielfacht, ist man im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Aber wir brauchen die Zustimmung des Koalitionspartners.“ Die Summe sei handelbar, aber die Union könne es nicht allein umsetzen.

Auch bei der Nacht- und Notdienstpauschale gab es eine Zusage an die Apotheker: „120 Millionen Euro waren zugesagt und versprochen“, betonte Spahn. Wenn diese Summe nicht erreicht werde, müsse man schauen, woran das liege, und an der Stellschreibe drehen. „Wenn wir 120 Millionen sagen, dann meinen wir 120 Millionen.“

Anders sieht es beim Fixhonorar aus: Während Weinberg forderte, Dynamisierungsfaktoren festzulegen, machte Spahn keine Zusagen. Er prophezeite für 2017 ein Defizit von zehn Milliarden Euro in der GKV, weil die Ausgaben die Einnahmen überstiegen. „Womöglich gibt es eine ganze Legislatur ohne Spargesetze, aber 2018 geht es los.“ Nun den Automatismus einer ständigen Erhöhung zu versprechen, sei daher nicht redlich.

Mit Blick auf die Großhändler kritisierte Spahn, dass Vertreter einerseits die Gesundheitspolitik beklagten und andererseits immer mehr Rabatte gäben. Da Apotheken auf diese Rabatte angewiesen, sie aber ungleich verteilt seien, gab Spahn der Apothekerschaft eine Denksportaufgabe: „Man könnte einen Teil dieser Summe rausschneiden und nutzen, um einen Teil der Leistungen zu finanzieren, etwa in Prävention oder anderen definierten Bereichen.“ Die ABDA-Spitze nahm diese Aufgabe an, betonte aber auch, dass damit das Problem der verfehlten Rechenmethodik bei der Festsetzung des Fixhonorars nicht gelöst werde.

Auch für weitere Vorschläge zeigte sich Spahn offen, etwa die Aufnahme konkreter Leistungen der Apotheker in das Präventionsgesetz – etwa beim Aufdecken von Impflücken –, eine Honorierung des Medikationsmanagements, wie es im Modellprojekt ARMIN erprobt wird, oder der Frage nach der Versorgungssicherheit. Spahn warnte aber davor, in einer Bedarfsplanung zu landen. Allerdings: „Da, wo wir Probleme haben, müssen wir gemeinsam schauen, wie wir sie lösen“, sagte er. Dafür müsse man zunächst das „Problem“ definieren, um festzulegen, wann Mechanismen der Förderung greifen, um einen Notstand zu verhindern.

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