Interview Birgitt Bender

„Mehr 'Behandlungsmacht' für Apotheker“

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Berlin -

Pünktlich zum Versorgungsstrukturgesetz (VStG) haben die Grünen einen eigenen Antrag zur Neuausrichtung des Gesundheitssystems vorgelegt. Die Bundestagsfraktion der Ökopartei spricht sich für regionalisierte Versorgungskonzepte aus, in denen Ärzte lernen müssen, Aufgaben abzugeben – auch an Apotheker. Dafür sind auch neue Vergütungsmodelle denkbar. Die grüne Gesundheitsexpertin Birgitt Bender sprach mit APOTHEKE ADHOC über die Kompetenzen der Apotheker, den Hoheitsanspruch der Ärzte und ihre Vision für eine „grüne“ Arzneimittelversorgung.

 

ADHOC: In Ihrem Antrag fordern Sie „kreative Versorgungsansätze“. Wo sehen Sie die Apotheker?

Bender: Ich gehe davon aus, dass die pharmakologischen Kompetenzen von Apothekern in der deutschen Versorgungssituation zu wenig genutzt werden. Wir Grünen würden es begrüßen, wenn sich Apotheker in Kooperationen mit Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten sowie an der integrierten Versorgung beteiligen würden.

ADHOC: Welche konkreten Aufgaben sollen die Apotheker übernehmen?

BENDER: Gerade die integrierte Versorgung bietet die Chance, neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren. So könnte es sinnvoll sein, Apotheken in die medizinische Behandlung einzubeziehen, zum Beispiel bei der Auswahl von Medikamenten und insbesondere bei multimorbiden Patienten oder zur Stärkung der Compliance.

ADHOC: Das sind komplett neue Aufgaben. Was soll das finanziert werden?

BENDER: Es ist nicht Teil unseres Antrags, aber denkbar, das Vergütungssystem von Apotheken konzeptionell zu verändern. Statt mit dem Apothekenzuschlag sowohl Distrubutions- als auch Beratungstätigkeiten zu vergüten, könnte es einen entsprechend abgesenkten Zuschlag geben, der die Distribution und Information beinhaltet und zusätzlich eine separate Vergütung für umfassendere und komplexere Beratungsleistungen.

ADHOC: Wie sollen die Apotheken in den IV-Modellen entlohnt werden?

BENDER: In unserem Antrag wird eine Erprobung von Vergütungssystemen auf der Basis von Versichertenpauschalen („Capitation“) und zusätzlichen Qualitätsanreizen („Pay for Performance“) im ärztlichen Bereich gefordert. Im Rahmen eines IV-Vertrages könnte dies auch Auswirkungen auf die Vergütung von beteiligten Apotheken haben.

ADHOC: Wo könnten sich bei einer neuen Aufgabenverteilung Probleme zwischen den Gesundheitsberufen ergeben?

BENDER: „Geänderte Arbeitsteilungen“ setzen immer mindestens zwei Parteien voraus, die sich auf eine neue Arbeitsteilung einlassen. Für Apotheker wird es in erster Linie darauf ankommen, dass Ärzte bereit sind, sich darauf einzulassen, bei der Auswahl von Medikamenten auf die Expertise der Pharmazeuten zurückzugreifen. Das bedeutet „Behandlungsmacht“ abzugeben, bietet jedoch die Chance die Versorgung zu verbessern, zum Beispiel aufgrund geringerer Nebenwirkungen.

ADHOC: Dann dürfte Ihnen das ABDA/KBV-Modell gefallen.

BENDER: Als sehr positiv bewerte ich, dass die beiden Berufsgruppen eine gemeinsame Handlungsnotwendigkeit zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit einem hohen Medikamentenverbrauch sehen. Ob gerade dieses Modell im vorgesehenen Praxistest zu Erfolgen führt, von denen alle – Patienten, Ärzte, Apotheken sowie Kassen und damit die Versicherten – profitieren, wird sich im Modellversuch zeigen.

 

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