Kommentar

Näher am Patienten: Ihre Ärzte

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Berlin -

Die Bundesregierung findet, Apotheker sind nicht zwingend notwendig für die Erstellung eines Medikationsplans, und will sie partout nicht im E-Health-Gesetz. Dem behandelnden Arzt stünden alle erforderlichen Informationen zur Verfügung – einschließlich OTC. Außerdem sei er die erste Person am Patienten. Und außerdem lege er die für den Medikationsplan erforderlichen Inhalte selbst fest. Und außerdem hat er die bessere Lobbyarbeit gemacht.

Während die ABDA über Berufs- und Leitbilder diskutiert, einen Deutschen und einen Weltapothekertag organisiert, die Umzugskartons packt und händeringend nach einem Käufer für die Luxusimmobilie sucht, haben sich die Ärzte offenbar an entscheidenderer Stelle eingebracht. Die Bundesregierung spricht jetzt Ärztisch. Das E-Health-Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Es sieht schlecht aus für die Fachleute für Arzneimittel, Neben- und Wechselwirkungen. Der Medikationsplan ist vermutlich endgültig Ärzterevier. Die Apotheker sind bestenfalls Handlanger.

Die Hiobsbotschaft kommt zur empfindlichsten Zeit des Jahres, zwei Wochen vor der Jahreshauptversammlung der verfassten Apothekerschaft. Traditionell versucht die ABDA zu diesem Anlass, ein zentrales Thema zu setzen, um das sich drei Tage lang die Welt drehen wird. 2015 ist es „Risiken der Polymedikation besser beherrschen“. Polymedikation, Medikationsanalyse, Medikationsmanagement. Ironie des Schicksals? Vorausschauende Kampfansage? Es fühlt sich an wie ein geplatzter Luftballon. Ihre Apotheker. Näher am Patienten. Ziemlich weit weg von der Politik.

Jetzt müssen sich die Granden aus der Jägerstraße entscheiden. Setzt man weiter auf die Medikationsplan-Karte und riskiert die totale Blamage? Die Flanke ist offen, die Basis alert, das Ergebnis ungewiss. Es könnte schiefgehen, die Schlappe ist nicht wegzureden. Oder schwenkt man um und setzt sich kurzerhand auf ein anderes Thema? Geht nicht. Niederlagen eingestehen, das hat man nicht so gern bei den Standesoberen. Also nach Altkanzler Kohls Devise: Aussitzen.

Oder war alles sowieso nur Strategie? Man hat es gewusst und nutzt den Apothekertag in Düsseldorf als Bühne, um die politischen Ziele noch lauter zu wiederholen. Die Ärzte machen es genau so. Kärtchen heben, Gesetzgeber auffordern, im Anschluss auf die Messe.

Doch der Weg nach Berlin ist weit. Neuss wäre um die Ecke, aber das hilft nichts. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat bereits seine Abwesenheit angemeldet, er wird wissen warum. Kein Tête-a-tête im lilafarbenen Schummerlicht. Keine Möglichkeit, die Forderungen zwischen Alt und Häppchen zu platzieren. Gröhe bleibt für die Apotheker ein Phantom.

Hätte man wenigstens beim E-Health-Gesetz – der niedrigsten Hürde im politischen Jahr 2015 – punkten können, hätte man mit so viel Schwung nach Düsseldorf reisen können, in der ersten Klasse Deutsche Bahn. Man hätte sich noch einmal vor Augen geführt, was man geleistet hat im vergangenen Jahr, wie erfolgreich die politische Arbeit in der Hauptstadt war – trotz der ganzen Widrigkeiten. Man hätte sich im Bordbistro noch einen Cappuccino geholt, für die Kollegen einen mit. Man wäre gut vorbereitet gewesen. Und jetzt? Ist der Zug vielleicht schon abgefahren. Es gibt keine Erfolge zu feiern. Die Bundesregierung hat den einzigen Luftballon kaputt gepiekt.

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