Im Generikamarkt laufen die umsatzstarken Wirkstoffe bei fast allen Krankenkassen unter Rabattverträgen. Doch auch bei patentgeschützten Arzneimitteln spielen Vereinbarungen mit den Herstellern eine wachsende Rolle. Über mehr als 100 Präparate gibt es schon entsprechende Verträge. Während sich die Kassen schnelle Einsparungen erhoffen, hoffen die Pharmakonzerne auf verlängerte Abverkaufsfristen.
Nach Zahlen des Marktforschungsinstituts IMS Health lag der Umsatzanteil der Arzneimittel unter Rabattvertrag im April 2011 insgesamt bei 22 Prozent. Fast ein Drittel des Gesamtumsatzes von rund 500 Millionen Euro entfiel demnach auf patentgeschützte Arzneimittel. Die größten Umsatzbringer unter Vertrag sind Enbrel (Etanercept), Rebif (Interferon beta), Zyprexa (Olanzapin), Lantus (Insulin Glargin), Betaferon (Interferon beta). Allein auf diese fünf Produkte entfällt laut IMS fast die Hälfte der Umsätze in dieser Gruppe. So gut wie alle großen Krankenkassen haben Rabattverträge über diese Präparate geschlossen.
Bei der AOK sind IMS zufolge 18 Prozent der Packungen im patentgeschützten Bereich rabattiert. Es folgen die Barmer GEK mit 13 und die DAK mit 12 Prozent. Die Kassen können so schon während des Patentschutzes sparen und außerdem die Zeit bis zu einer Generikaausschreibung überbrücken.
Andererseits wird die Substitutionspflicht durch die Verträge ausgestochen: Für die forschenden Hersteller sind Rabattverträge interessant, weil sie sich damit auch nach Patentablauf einen Exklusivstatus sichern. Was heute geopfert wird, könnte sich morgen auszahlen. Über die Höhe der gewährten Rabatte herrscht Schweigen: „Das sind streng vertrauliche Vertragsinhalte, zu denen wir keine Auskunft geben“, heißt es etwa beim US-Konzern Lilly.
Die Generikahersteller warnen vor Wettbewerbsverzerrungen, weil die Originalverträge die Konkurrenz im Keim erstickten. Beim Branchenverband Pro Generika ist man überzeugt, dass sich diese Strategie für die Krankenkassen nur kurzfristig rechnet: Weniger Preiswettbewerb führe langfristig zu geringeren Einsparungen, weil der Marktdruck durch Generika fehle.
Die Krankenkassen verweisen dagegen darauf, intelligente Verträge geschlossen zu haben, die angepasst werden könnten, sobald das Patent ausläuft. „Es handelt sich dabei also um nicht exklusive Verträge“, sagte ein Sprecher der Barmer GEK. Der Preiswettbewerb führe zu hohen Rabatten der Originalhersteller sowie zu weiteren Rabattverträgen mit Generikaherstellern.
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) kann ihre Verträge mit Originalherstellern kurzfristig kündigen. Nach Patentablauf könnten die betroffenen Wirkstoffe sofort in Ausschreibungen aufgenommen werden, sagte ein Sprecher.
Für wen sich der Deal am Ende rechnet, wissen nur die Beteiligten. Denn bis neue Verträge geschlossen sind, vergehen in der Regel mehrere Monate. Solange verhindern die Originalverträge in der Apotheke den Austausch durch eines der preisgünstigsten Generika. Doch viele Kassen haben mit ihren alten Portfolioverträgen noch ein Ass im Ärmel: Gemäß diesen Vereinbarungen, die vor der Ära der Ausschreibungen getroffen wurden, gilt ein Rabattvertrag für das gesamte Sortiment eines Generikaherstellers. Je nach Vertrag sind davon auch alle neuen Wirkstoffen betroffen.
Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat die Kassen bereits mehrfach aufgefordert, diese Verträge schnellstmöglich zu kündigen. Doch bislang scheint sich darum niemand zu scheren. Bei der AOK greifen die Portfolioverträge sogar neu, wenn ein Wirkstoff wieder aus einer Ausschreibung herausfällt.
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